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Die Berlin-Melbourne-Connection

Das Joint PhD-Programm der Berlin University Alliance spannt Principal Investigators und den wissenschaftlichen Nachwuchs in Berlin und in Melbourne zu Forschungstandems zusammen. Die Teams forschen zu globalen gesundheitlichen Herausforderungen wie antibiotikaresistente Bakterien, Schwangerschaftserkrankungen oder eine weniger gesundheitschädliche Nutzung von Smartphones. Das ist eine große Chance für die Doktorand*innen. Drei Beispiele.

Das Joint PhD-Programm vernetzt in der ersten Kohorte junge Wissenschaftler*innen der University of Melbourne mit Doktorand*innen von HU, Charité, MDC und FU (hier im Bild)

Das Joint PhD-Programm vernetzt in der ersten Kohorte junge Wissenschaftler*innen der University of Melbourne mit Doktorand*innen von HU, Charité, MDC und FU (hier im Bild)
Bildquelle: Stefan Müller-Naumann

Alle paar Monate füllt der Molekularbiologe Mario Delgadillo einen großen Stapel Papier für die Zollbehörden aus und versendet einen sehr kleinen Behälter in einer gut gesicherten Verpackung. Ziel: das Department of Biochemistry & Pharmacology der University of Melbourne, Australien. Inhalt: Bakterienstämme, in die der Doktorand sogenannte Reporterproteine geschleust hat. Das sind wertvolle Werkzeuge in der molekularbiologischen Forschung: Sie werden meist für die Sichtbarmachung und Verfolgung räumlicher und zeitlicher Gen- bzw. Proteinexpressionsmuster verwendet.

Delgadillo arbeitet am Institut für Biologie der Humboldt-Universität in dem Forschungsprojekt „Visualising the dynamics of horizontal gene transfer during bacterial conjugation“. Ziel ist es, den Mechanismus zu knacken, mit dem eine resistente Bakterienzelle genetische Informationen an eine andere Bakterienzelle weitergibt.

Es wäre ein riesiger Fortschritt für die Medikamentenentwicklung, denn weltweit sterben jährlich gut eine Million Menschen an Infektionen, weil die verursachenden Bakterien antibiotika-resistent sind.

Das Projekt ist ein mit BUA-Mitteln gefördertes kollaboratives Vorhaben - eine von bis zu sechs solcher Kooperationen im Joint PhD-Programm der BUA-Universitäten mit der Universität in Melbourne (UoM). Pro Kooperation werden zwei Doktorandenstellen von der BUA finanziell gefördert. Mit der UoM gibt es bereits seit 2018 eine strategische Partnerschaft in der Forschung.

Das Programm adressiert den exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs und will die internationale Vernetzung bei der Global Health-Forschung fördern: Zwei Principal Investigators (PI) und zwei Doktorand*innen – je in Berlin und in Melbourne – bearbeiten gemeinsam als Tandem eine wissenschaftliche Fragestellung. Alle Projekte fokussieren weltweite Gesundheitsprobleme und werden als Teil der Grand Challenge-Initiative Global Health gefördert.

Das Besondere an dem Joint PhD-Programm beschreibt Delgadillo so: „Im Forschungsprojekt haben wir eine klare Aufgabenteilung. Ich stelle die Salmonellen-Stämme mit den Reporterproteinen her. Meine Partnerin Shubha Udupa führt damit in Melbourne die Experimente durch. Wir hängen in unserer Arbeit also voneinander ab. Und es ist toll zu sehen, wie gut es trotz der großen Entfernung zwischen unseren Laboren funktioniert.“

Dank Meeting-Apps ist der Austausch im Team kein Problem. Einmal im Monat treffen sich die beiden Doktorand*innen mit ihren wissenschaftlichen Betreuern, Prof. Marc Erhardt (HU) und Debnath Ghosal, PhD (University of Melbourne) im Video-Chat. Meistens gegen 9 Uhr morgens Berlin-Zeit – dann ist es 18 Uhr in Melbourne. Delgadillo und seine Tandempartnerin sehen sich zusätzlich in kürzeren Abständen, um neue Ergebnisse im Versuchslabor zu besprechen.

Melbourne

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Bildquelle: Weyne Yew/Unsplash

Ein Höhepunkt des Programms ist für alle beteiligten Doktorand*innen das Forschungsjahr an der jeweils anderen Universität. Diese Chance als Nachwuchswissenschaftler weiß auch Lina Christin Brockmeier, Gesundheitspsychologin an der Freien Universität, sehr zu schätzen.

Brockmeier erforscht in dem Projekt „TEMPHEALTH“ digitale Technologien zur Überwachung und Förderung eines nachhaltigen Gesundheitsverhaltens. Gemeinsam mit dem Department for IT and Engineering der University of Melbourne geht sie der Frage nach, wie (technische) Interventionen für gesündere Formen der Smartphone-Nutzung entwickelt werden können. „Bislang wurde zu diesem Thema nur wenig und nicht sehr schlüssig geforscht“, sagt Brockmeier.

Studien in 29 Ländern zeigen, dass problematische Formen der Smartphone-Nutzung das Wohlbefinden der betroffenen User*innen beeinträchtigen. Durch Instagram scrollen, obwohl man doch eigentlich lernen wollte und sollte, gehört zu den klassischen Situationen.

Lina Brockmeier untersucht für ihre Dissertation, inwiefern geplante Unterbrechungen der Smartphone-Nutzung und damit eine Reduktion der Nutzungsdauer das Wohlbefinden steigern kann. „Darüber hinaus möchte ich untersuchen, wie man per App die eigene Smartphone-Nutzung verbessern kann.“

Das Joint Project und der Aufenthalt in Melbourne sind für sie „eine großartige Gelegenheit, mein Netzwerk als Forscherin zu erweitern, zum Beispiel im Arbeitsbereich Informatik und Ingenieurwesen.“

Und sicherlich sind die Erfahrungen für alle Doktorand*innen in den Berlin-Melbourne-Projekten auch ein Türöffner für die nächsten beruflichen Schritte in der Wissenschaft.

Auch der südafrikanische Biochemiker Stefan Botha, Doktorand in Melbourne und demnächst ein Jahr zu Gast am Max-Delbrück-Zentrum in Berlin, begreift die internationale Zusammenarbeit in seinem Joint-PhD-Projekt „A global approach to advancing prediction and understanding of preeclampsia pathogenesis“ als große Chance. Botha hat seine akademische Ausbildung bislang ausschließlich in Südafrika absolviert. Seine Dissertation bringt ihn nun erstmals ins Ausland – zunächst nach Melbourne, als Hauptstation seiner Doktorandenzeit, dann nach Deutschland.

Präeklampsie ist eine Erkrankung, die in der Schwangerschaft oder im Wochenbett auftreten und für Mutter und Kind gefährlich werden kann. Bekannt ist sie auch unter dem Begriff „Schwangerschaftsvergiftung“. Bei schweren Fällen kann eine Präeklampsie tödlich enden, meist durch Hirnblutung, Nierenversagen oder Leberriss der Mutter. Die Krankheit ist vor allem deshalb gefürchtet, weil sie plötzlich auftreten kann und häufig besonders schwer verläuft. Anzeichen sind Bluthochdruck bei der Mutter und vermehrte Eiweißausscheidung im Urin. Rechtzeitig erkannt lässt sich die Erkrankung zwar behandeln, doch in Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen und schlechtem Zugang zu guter medizinischer Versorgung sterben noch immer Mütter und Kinder daran.

„Die genauen Auslöser für Präeklampsie sind noch immer nicht geklärt“, sagt Botha. „Weltweit gibt es erhebliche Herausforderungen bei der wirksamen Behandlung schwangerschaftsbedingter Komplikationen, nicht nur von Präeklampsie, sondern auch beispielsweise von Fetaler Wachstumsrestriktion (FGR).“

Ziel des Projekts ist es, neue Biomarker und therapeutische Möglichkeiten für schwangerschaftsbedingte Störungen zu finden. „Wir hoffen, dass unsere Forschung zur Prävention von Präeklampsie beiträgt, um so ernsthafte Risiken für Mutter und Kind während der Schwangerschaft zu reduzieren“, sagt Botha.

Weitere Informationen

Die drei Projekte

Die BUA finanziert jeweils zwei Doktorandenstellen für drei Jahre.

„Visualising the dynamics of horizontal gene transfer during bacterial conjugation“, Institut für Biologie, Humboldt-Universität und  Department of Biochemistry & Pharmacology der University of Melbourne; PI: Prof. Dr. Marc Erhardt und DebnathGhosal, PhD

„TEMPHEALTH  – Digital Technologies to Monitor and Promote Sustainable Health Behaviours“, School of Computing & Information Systems, University of Melbourne und Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin; PI: Prof. Dr. Tilman Dingler und Dr. Jan Keller.

„A global approach to advancing prediction and understanding of preeclampsia pathogenesis“, Obstetrics and Gynaecology – Royal Women's Hospital, University of Melbourne und Max-Delbrück-Zentrum/Charité; PI: Prof. Tu'uhevaha Kaitu'u-Lino und Prof. Dr. Ralf Dechend

Weitere drei Joint-PhD-Projekte werden gefördert:

„Targeting calcitonin receptor to treat glioblastoma with glycan-based site-specific coupling of toxins to nanobodies Phage“,  Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Pathobiochemie, Charité, Department of Medicine – Austin Health, University of Melbourne; PI: Prof. Dr. Hendrik Fuchs und Dr. Peter Wookey.

„Phage-Steering Strategy to Fight Antibiotic Resistance“, Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité, Department of Microbiology and Immunology, University of Melbourne; PI: Prof. Dr. Andrej Trampuz und Prof. Ben Howden.

„Tackling a Global Health problem, control of ticks and tick-borne pathogens using anti-tick microbial vaccines“, Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin, Freie Universität Berlin, Department of Veterinary Biosciences, University of Melbourne; PI: Prof. Dr. Ard Nijhof und Prof. Abul Jabbar.