Prof. Michéle Lamont ist Professorin für Soziologie und Afrikanistik sowie Afroamerikanistik und Inhaberin der Robert I. Goldman-Professur für Europastudien an der Harvard University. Geboren in Toronto und aufgewachsen in Québec, erwarb sie einen Abschluss in Politischer Theorie an der Universität Ottawa, bevor sie an der Universität Paris in Soziologie promovierte. Nach Stationen an der University of Texas und der Princeton University kam sie 2003 an die Harvard University. Lamont ist eine der führenden Stimmen in der Kultursoziologie. Ihre Forschung untersucht, wie Gesellschaften moralische Grenzen ziehen, wie Individuen und Gruppen Würde und Ausgrenzung erleben und wie kulturelle Prozesse Ungleichheit prägen. Sie ist insbesondere bekannt für ihre Beiträge zur Soziologie der Evaluierung und Anerkennung, genauer: wie Institutionen wissenschaftliche Exzellenz definieren und wie marginalisierte Gruppen auf Stigmatisierung und Diskriminierung reagieren. Zu ihren einflussreichsten Werken zählen „The Dignity of Working Men“, eine vergleichende Studie über moralische Grenzen in den Vereinigten Staaten und Frankreich, und „How Professors Think“, eine ethnografische Untersuchung des Peer-Review-Prozesses in der Wissenschaft. Ihre Arbeit wird weithin dafür geschätzt, dass sie theoretische Tiefe mit empirischer Innovation verbindet und die kulturellen Grundlagen von Ungleichheit beleuchtet. Lamont hatte zahlreiche Führungspositionen inne, darunter die des Präsidenten der American Sociological Association und die des Direktors des Weatherhead Center for International Affairs der Harvard University, wo sie auch eine Forschungsgruppe zum Thema vergleichende Ungleichheit und Inklusion leitete. Ihre akademischen Leistungen wurden mit renommierten Auszeichnungen wie dem Erasmus-Preis, dem Gutenberg-Forschungspreis und dem Carnegie-Stipendium gewürdigt.
Prof. Michèle Lamont brachte ihre herausragenden Leistungen im Bereich der Kultursoziologie in das DiGENet ein, wobei sie sich auf Anerkennung, Stigmatisierung und moralische Grenzen in verschiedenen Gesellschaften konzentrierte. Ihre vergleichende Forschung, die sich über die Vereinigten Staaten, Europa, Lateinamerika und Israel erstreckt, untersucht, wie Exzellenz sozial konstruiert wird und wie marginalisierte Gruppen auf Ausgrenzung reagieren. Lamonts Beitrag unterstützt das Anliegen des DiGENet, akademischen Erfolg und Inklusion aus einer antirassistischen und diversitätssensiblen Perspektive kritisch neu zu definieren, wobei sie auf ihre jahrzehntelange wissenschaftliche Führungserfahrung zurückgreifen kann. Prof. Michèle Lamont richtete den Blick auf die kulturellen und symbolischen Dynamiken, die die wissenschaftliche Inklusion prägen. Sie kritisierte das normative Ideal der Meritokratie und argumentierte, dass es oft bestehende Privilegien verschleiere und strukturelle Barrieren wie begrenzte berufliche Netzwerke oder die Herausforderungen, denen Wissenschaftler der ersten Generation gegenüberstehen, nicht angemessen berücksichtige. Lamont plädierte für intersektionale Ansätze und betonte die Notwendigkeit, die vielfältigen Formen der Ausgrenzung, denen marginalisierte Gruppen ausgesetzt sind, anzuerkennen und darauf zu reagieren sowie ihre soziale Anerkennung zu institutionalisieren. Ihre Arbeit löste eine tiefgreifende Debatte über Bewertungsstandards in der Wissenschaft aus, insbesondere im Hinblick auf interdisziplinäre Forschung, die oft von Wissenschaftlern mit Migrationshintergrund und Frauen betrieben wird, aber tendenziell unterbewertet wird. In der anschließenden Diskussion, an der auch Prof. Kathrin Zippel teilnahm, wurde deutlich, dass faire Einstellungspraktiken und transparente Karrierewege nicht allein von der individuellen Leistung abhängen, sondern auch von strukturellen Reformen und institutioneller Rechenschaftspflicht.