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Sichtbar machen, was sonst unsichtbar bleibt

Dr. Anna-Lisa Dieter

Dr. Anna-Lisa Dieter
Bildquelle: Fabian Frinzel 

Wasser ist das Element des Lebens. Es hat unzählige Formen und Funktionen: als Ozean und Wolke, reißender Fluss und winziger Tropfen, als Katalysator und Trägersubstanz. Genauso vielfältig wie das Element ist auch die Forschung, die sich dem Thema Wasser widmet. Im Humboldt Labor wird diese Forschungsvielfalt ab dem kommenden Herbst in einer neuen Ausstellung sichtbar. Das Ausstellungsteam der Humboldt-Universität arbeitet dafür eng mit Forschenden aus dem BUA-Verbund zusammen. Anna-Lisa Dieter ist die Kuratorin der Ausstellung und erzählt im Interview, welche spannenden und überraschenden Exponate geplant sind, wie sie die Wissenschaft dahinter sichtbar macht und warum Pfützen spannende Gewässer sind.


Frau Dieter, hinter den Kulissen des Humboldt Labors nimmt eine neue Ausstellung langsam Formen an, die sich dem Element Wasser widmet. Um welche Themen geht es dabei konkret und warum steht ausgerechnet Wasser im Mittelpunkt?

Gerade in Berlin und Brandenburg ist das Thema Wasser sehr brisant. Es handelt sich um eine gewässerreiche und trotzdem wasserarme Gegend. Wasser beschäftigt viele Forschende der Berlin University Alliance und zugleich ist Wasser ein Thema, das für alle Menschen relevant ist. Wie stellen wir in Zukunft die Wasserversorgung sicher? Das ist eine große Frage, die viele weitere Aspekte berührt, wie etwa den Klimawandel. Lebenswirklichkeit und Forschung verflechten sich hier miteinander. Von Berlin ausgehend werden wir den Blick weiten und in die Welt hinausschauen. Dabei wollen wir die große Vielfalt der Forschung sichtbar machen: Forschende in Berlin beschäftigen sich mit lokalen Gewässern wie dem Müggelsee, der Spree oder der Panke, aber auch mit Flüssen in Lateinamerika oder Asien. Sie beschäftigen sich mit Wasserinfrastrukturen und so unterschiedlichen Phänomen wie Pfützen, Wolken, Strudeln und Gletschern.

Es gibt Forschung über Pfützen?

Es gibt tatsächlich verschiedene Pfützenforscher*innen in Berlin. Der Impuls zu dieser Forschung geht von der Kunst aus. Die Künstlerin Mirja Busch beschäftigt sich schon lange mit der Pfütze, die oft übersehen oder unterschätzt wurde. Sie hat Pfützen analysiert und archiviert. Damit hat sie zwei Berliner Wissenschaftler inspiriert: Ignacio Farías von der Humboldt Universität zu Berlin schreibt gerade gemeinsam mit Busch an einer Kulturgeschichte der Pfütze. Und der Hydrologe Thomas Nehls von der Technischen Universität Berlin hat in einem Seminar mit der Künstlerin eine Methode zur 3D-Vermessung von Pfützen entwickelt. An Pfützen ist besonders interessant, dass sie die kleinsten stehenden Gewässer der Stadt sind. Sie bilden ein eigenes Ökosystem, an dem sich der Einfluss des Menschen ablesen lässt.

Im Mittelpunkt der Ausstellung wird die Forschung stehen. Wie gelingt es Ihnen, die Forschenden mit ins Boot zu holen?

Wir mussten erst einmal herausfinden, wer an den Berliner Universitäten eigentlich zu Wasser forscht. Anfang letzten Jahres haben wir daher einen Call gestartet, in dem wir alle Forschenden aus der Berlin University Alliance eingeladen haben, sich einzubringen. Uns hat es gefreut, dass viele Wissenschaftler*innen ihre Forschung einer breiten Öffentlichkeit vorstellen wollen und auch Lust auf das Format Ausstellung haben. Es gab viele engagierte Rückmeldungen aus unterschiedlichsten Disziplinen, und von Forschenden aller Karrierestufen.

In diesem Ausstellungsprojekt arbeiten Sie als Kuratorin des Humboldt Labors mit der Berlin University Alliance zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?

 Das Team des Humboldt Labors und die Kolleg*innen des Bereichs „Fostering Knowledge Exchange“ der Berlin University Alliance arbeiten seit gut einem Jahr intensiv gemeinsam an der Entwicklung des Wasser-Themas. Während wir uns im Humboldt Labor vor allem um die analogen Inhalte kümmern, entwickelt das Team von „Fostering Knowledge Exchange“ vorrangig die digitalen Anwendungen. Es wird mehrere digitale Stationen in der Ausstellung geben, die den Besucher*innen zum Beispiel erlauben, den Arbeitsalltag von Forschenden kennenzulernen. Das BUA-Team konzipiert darüber hinaus noch zwei rahmende Programmlinien, die bereits im Oktober 2024 gestartet sind und bis zum Sommer 2026 laufen werden. Zum einen entwickelt das TD-Lab, das Labor für Transdisziplinäre Forschung, das Programm DIALOGE, in dem Forscher*innen und Expert*innen vernetzt werden. Auf der anderen Seite organisiert das Knowledge Exchange Office den PARCOURS, der Wissenschaft, Kunst und Stadtgesellschaft an Berliner Kulturorten und entlang der Wasserwege in einen Austausch bringt. In der Ausstellung haben wir auch eine Wasserwerkstatt mit Citizen Science-Angeboten geplant, so dass Ideen und Wissen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten einfließen und das wissenschaftliche Nachdenken über das Element Wasser bereichern können.

Auf welche ungewöhnlichen und besonderen Exponate und Installationen dürfen sich denn die Besucherinnen und Besucher freuen?

Ein besonderes Exponat wird ein dreidimensionales Modell zum urbanen Wasserhaushalt sein. Es macht sichtbar, was sonst unsichtbar bleibt, das Grundwasser und die Kanalisation. Dann soll es eine Wasserbar geben, in der die Besucher*innen selbst Spreewasser filtern und trinken können. Außerdem wird in der Bar die reiche akustische Forschung zum Wasser hörbar gemacht. Man erfährt zum Beispiel im Beitrag des Kulturwissenschaftlers Walther Maradiegue, wie sich das Phänomen El Niño, das durch den Klimawandel häufiger geworden ist, auf die traditionelle Musik der Anden auswirkt.

Was finden Sie als Kuratorin einer Ausstellung zum Thema Wasser besonders spannend?

Das ist immer wieder die Ambivalenz des Wassers. Es ist das Element, das Leben gibt, das aber auch zerstören und den Tod bringen kann. Ich war kürzlich auf einer Expedition auf Samos und habe die Schönheit des Meeres und des Strandes erlebt. Gleichzeitig waren im Sand die Spuren von Menschen sichtbar, die über das Meer geflüchtet waren: zurückgelassene Schwimmwesten, Rucksäcke, Tabletten. Wir hörten später, dass an diesem Tag auch ein Boot mit Geflüchteten gesunken ist. Diese Gleichzeitigkeit von Schönheit und Tod, von Leichtigkeit und Gefahr, die mit dem Wasser verbunden ist, berührt mich.

Bis zur Ausstellungseröffnung dauert es noch etwas. Was passiert in den kommenden Monaten?

Wir arbeiten derzeit intensiv an der Übersetzung der wissenschaftlichen Projekte und Themen in den Ausstellungsraum. Die konzeptionelle Phase wollen wir im Frühjahr abschließen und danach arbeiten Gewerke intensiv daran, unsere Pläne umzusetzen und die Architektur der Ausstellung zu bauen. Im Herbst 2025 feiern wir dann die Eröffnung.

Anna-Lisa Dieter ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Nach Stationen am Deutschen Hygiene-Museum in Dresden und bei BIOTOPIA, dem neuen Naturkundemuseum in München, ist sie seit Januar 2024 Kuratorin im Humboldt Labor. Ihre Arbeiten verknüpfen Kultur- und Naturwissenschaften miteinander.