Springe direkt zu Inhalt

„Zeit und die Grenzen des Politischen: Anti-historische Exkursionen aus Südasien“

Zweite Berlin Southern Theory Lecture am 10. Dezember 2020 wird vom BCGE unterstützt

News vom 08.12.2020

Die indische Historikerin Prof. Prathama Banerjee vom Centre for the Study of Developing Societies (CSDS) in Delhi befasst sich am 10. Dezember um 17 Uhr mit einer „anti-historischen“ Denkweise aus Sicht der Southern Theory mit Blick auf den südasiatischen Raum. Der englischsprachige Vortrag findet im Rahmen der Reihe „Berlin Southern Theory Lecture“ statt und wird online übertragen. Organisiert wird die Veranstaltung vom Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin und vom Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO). Das Berlin Center for Global Engagement (BCGE) der Berlin University Alliance unterstützt die Veranstaltung.

Als Diskussionspartner ist der Religionswissenschaftler Prof. Abdulkader Tayob von der University of Cape Town und gegenwärtig am ZMO affiliierter Georg-Forster-Preisträger der Alexander-von-Humboldt Stiftung angekündigt. Prof. Dr. Hansjörg Dilger vom Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin wird die Veranstaltung moderieren.

Ziel der jährlich stattfindenden Berlin Southern Theory Lecture ist es, Beiträge zur Erkenntnistheorie aus dem Globalen Süden in den Vordergrund zu rücken. Die Vortragsreihe soll zu einem globalen Wissensaustausch beitragen und postkoloniale Asymmetrien aufzeigen, sodass theoretische Debatten in den Sozial- und Geisteswissenschaften an Vielfalt gewinnen.

Interview mit Prof. Dr. Sandra Calkins vom Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität Berlin und ihrem Kollegen Prof. Dr. Kai Kresse, der zudem Vizedirektor des ZMO ist.

Die beiden Forschenden organisieren die Berlin Southern Theory Lecture. Die Fragen stellte Romain Faure, Koordinator des Berlin Center for Global Engagement.

Liebe Frau Calkins, lieber Herr Kresse, für die diesjährige Berlin Southern Theory Lecture haben Sie die indische Historikerin Prathama Banerjee eingeladen. Können Sie uns diese Denkerin kurz vorstellen? Was macht ihre Arbeit für Sie besonders interessant?

Prathama Banerjee arbeitet mit ihren Kolleginnen und Kollegen am CSDS in Delhi seit Jahren intensiv an einer kritischen und grundsätzlichen theoretischen Neuorientierung für die Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie haben eine Überwindung des nach wie vor dominanten Eurozentrismus zum Ziel und beziehen sich dabei einerseits auf Perspektiven der kolonialen Erfahrung und der weitergehenden postkolonialen Marginalisierung. Andererseits geht es Prathama Banerjee und ihren Kolleginnen und Kollegen in diesem interdisziplinären und kollaborativen Prozess vor allem darum, die reichhaltigen historisch gewachsenen konzeptionellen Ressourcen aus Südasien, wie etablierte Leitbegriffe in Hindi, Bengali, Sanskrit und anderen Sprachen, für die Bildung einer angemesseneren Sozialtheorie zu nutzen. Diese müsse breiter aufgestellt sein, meint Prathama Banerjee, besonders im Hinblick auf das Spektrum und den Umfang menschlicher Erfahrungen in der Welt, die Sozialtheorie letztlich empirisch untermauern. Sie baut bewusst auf die bisher in der (westlich dominierten) Wissenschaft vernachlässigten intellektuellen Traditionen des Globalen Südens auf und nutzt diese, um einen konstruktiven Prozess kritischer Transformation voranzutreiben, vor allem im Denken des Politischen.

Sie haben 2019 die Reihe der Berlin Southern Theory Lecture gestartet, damals mit dem senegalesischen Denker Felwine Sarr von der Université Gaston Berger. Welches Ziel verfolgen Sie mit dieser Veranstaltungsreihe?

Wir möchten andere Ausgangspunkte für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung – jenseits dominanter, euro-amerikanischer Traditionen – ins Zentrum stellen und gerade die kritischen Transformationsprozesse beleuchten, die von Denkerinnen und Denkern aus dem Globalen Süden selbst angestoßen werden. Die jährliche Lecture soll solche wichtigen individuellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Globalen Süden der Berliner Öffentlichkeit vorstellen. Die Vorlesungsreihe bietet Zuhörerinnen und Zuhörern die Chance, deren Projekte, Ansätze und Vorschläge zu einer konstruktiven, postkolonial inspirierten theoretischen Neuorientierung mitzudenken und zu diskutieren. Als Forschende aus der Kultur- und Sozialanthropologie denken wir, dass unser Fach eine wichtige vermittelnde Rolle in diesem interdisziplinären, transregionalen und multilingualen Prozess spielen kann. Nicht zuletzt aufgrund seiner Geschichte der kolonialen Verstrickung trägt das Fach dabei auch eine besondere Verantwortung, die nichtwestlichen Denkweisen und analytischen Ansätze, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Sozial- und Kulturanthropologie schon immer fasziniert haben, endlich symmetrischer darzustellen und dazu beizutragen, dass diese mit Blick auf ihre generelle Relevanz diskutiert werden.

Weitere Informationen

3 / 79