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„Mit CliWaC haben wir ein Kompetenznetzwerk zum Thema Wasser geschaffen“

Prof. Dr. Tobias Krüger

Prof. Dr. Tobias Krüger
Bildquelle: Julia Baier

Tobias Krüger ist Professor für Hydrologie und Gesellschaft am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort leitet er das Integrative Forschungsinstitut zu Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys). In der Einstein Research Unit „Climate and Water under Chance“ (CliWaC) führt sein Team Forschungsergebnisse in Modellen zusammen und bereitet diese für verschiedenen Zielgruppen auf. Einstein Research Units (ERUs) sind inter- und transdisziplinäre Verbünde zu strategisch wichtigen Forschungsfragen in der Berlin University Alliance. Sie werden für mindestens drei Jahre mit bis zu zwei Millionen Euro pro Jahr gefördert.

Woran forschen Sie in CliWaC?

Wir untersuchen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wassersituation in Berlin und Brandenburg. Dazu führen wir drei Fallstudien durch. In der ersten Studie schauen wir uns den Groß Glienicker See und und den Sacrower See an. Beide sind Teil eines gekoppelten hydrogeologischen Systems von Gletscherseen, die nach dem Abschmelzen des Weichsel-Ostsee-Eisschildes entstanden sind. In der zweiten Fallstudie untersuchen wir die Spree und deren Einzugsgebiet. Die Wassersituation dort war jahrzehntelang geprägt von den großen Braunkohle-Tagebaugebieten in der Lausitz, aus denen Grundwasser abgepumpt und in die Spree abgeleitet wurde. Das wird sich weiterhin mit dem Kohleausstieg ändern und damit auch der Wasserhaushalt der Spree bis nach Berlin und darüber hinaus. Und in der dritten Fallstudie untersuchen wir die Auswirkungen extremer Regenfälle in städtischen Gebieten. Wir erarbeiten außerdem Lösungsvorschläge zum Umgang mit solchen Starkregenereignissen.

Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse bislang?

In Berlin und Brandenburg werden sowohl Starkregenereignisse als auch Trockenheiten zunehmen – darunter auch so genannte ‚Flash Droughts“. Die entstehen geradezu blitzartig, wenn es über einen längeren Zeitraum hinweg kaum regnet und sehr heiß ist. Um solche Herausforderungen bewältigen zu können, haben wir im Rahmen von CliWac Konzepte der Schwammstadt angeschaut, die schon länger diskutiert und z.T. bereits umgesetzt werden. So wie ein Schwamm Wasser aufsaugt, so könnten Berlin und Brandenburg Starkregen besser für Dürreperioden speichern. Das klappt etwa durch das Begrünen von Dächern und Häuserfassaden oder indem Flüsse mehr Raum bekommen. Dann fließen sie langsamer und können sich bei Hochwasser ausbreiten. Ein Teil des Wassers versickert und es entsteht neues Grundwasser. Dazu beitragen kann auch der Bau von Regenrückhaltebecken. Man muss aber dabei mögliche Hochwasserrisiken durch oberflächennahes Grundwasser mitberücksichtigen. Dazu müssen in der Planung Beteiligte wie Wasserversorger, Wasserverbraucher wie die Industrie und Behörden eng zusammenarbeiten. Auch Berlin und Brandenburg müssen enger zusammenarbeiten. Denn Berlin hängt von den Wasserressourcen ab, die sich in Brandenburg oder sogar in Sachsen bilden.

Welche Schwierigkeiten sehen Sie da?                                                                             

Unsere ethnografischen und politikwissenschaftlichen Forschungen haben gezeigt, dass die Zusammenarbeit im Wassermanagement durch gesellschaftliche Grundkonflikte wie den Gegensatz von Stadt und Land beeinträchtigt wird. Wenn Brandenburger auf Berlin blicken fragen sich etwa manche: Den Berlinern geht es doch ohnehin besser als uns, warum sollen wir denen auch noch unser Wasser geben?

Lassen sich solche Fragen wissenschaftlich beantworten?

Die Natur- und Sozialwissenschaften können hilfreiche Informationen bereitstellen. Aber für die Entwicklung von Maßnahmen und Akzeptanz in der Gesellschaft braucht es mehr als Fakten. Es braucht Empathie. Wir Wissenschaftler müssen in die Gesellschaft hineinhorchen, was die Leute umtreibt und deren Sorgen in unseren Fragestellungen und Lösungsvorschlägen aufgreifen. Und wir müssen wissenschaftliche Erkenntnisse besser erklären. Dazu gehört, über die Grenzen von Disziplinen hinweg abgestimmte Antworten zu geben. Das tun wir bei CliWac im Rahmen des Projekts AnthropoScenes. Da präsentieren Forschende ihre Ergebnisse etwa im Humboldt-Labor, auf Berliner Bühnen oder andernorts in Brandenburg und diskutieren darüber mit Bürger*innen. Ich selbst habe mit Pauline Münch von AnthropoScenes und Bürger*innen sowie mit dem Journalisten, Literaturkritiker und Honorarprofessor für Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität Lothar Müller Flusspaziergänge entlang der Panke und der Spree unternommen. Ein anderes Mal mit dem Ensemble des RambaZamba Theaters als Vorbereitung zu deren Stück ‚the world flames like a discokugel‘ von Jacob Höhne.

Wie hat die Berlin University Alliance CliWaC unterstützt?

AnthropoScenes wird schon seit Juni 2021 von der BUA gefördert. Für CliWaC war das ein Glücksfall. Durch die Integration von AnthropoScenes hatte Wissenschaftskommunikation von Anfang an einen hohen Stellenwert innerhalb von CliWaC. Und daraus hat sich auch eine für Großforschungsprojekte ungewöhnlich starke Rolle der Sozialwissenschaften weiter etabliert.

Können Sie das genauer erklären?

Den Sozialwissenschaften bleibt in großen interdisziplinären Forschungsprojekten häufig die Aufgabe, die Akzeptanz naturwissenschaftlicher Lösungen in der Bevölkerung abzufragen. In CliWaC hingegen erheben Kolleg*innen aus den Sozialwissenschaften in ethnografischen, soziologischen oder politikwissenschaftlichen Studien von vornherein Ängste und Anliegen der Bevölkerung, die dann in naturwissenschaftliche Forschung und Lösungsansätze einfließen.

Ein Beispiel?

Die ethnografische Feldforschung in Berlin und Brandenburg hat gezeigt, dass die Bevölkerung sich sehr für die Folgen des Klimawandels und Ansätze zu deren Bewältigung interessiert. Zugleich fühlten sich viele Befragte durch die Wissenschaft nicht gut informiert. Deshalb haben wir den CliWaC Explorer gestartet. Das ist eine Webseite wo wir unsere sozial- und naturwissenschaftlichen Forschungsergebnisse zusammenführen und allgemeinverständlich aufbereiten werden. Damit schaffen wir eine verlässliche Informationsalternative zu wissenschaftlich anmutenden, aber in Wirklichkeit unwissenschaftlichen Informationsangeboten in sozialen Medien, die ich als Fake Science bezeichnen würde. Nur so können dann Lösungsansätze auch informiert diskutiert werden in der Gesellschaft.

Projekte wie der CliWaC Explorer erfordern eine enge Zusammenarbeit zwischen verschieden wissenschaftlichen Disziplinen sowie zwischen Wissenschaftler*innen und Partnern aus der Zivilgesellschaft. Wie haben Sie das geschafft?

Wir haben je nach Thema und Informationsbedürfnissen von Projektbeteiligten angepasste Austauschformate geschaffen. So gab es etwa Workshops, zu denen alle CliWaC-Beteiligten eingeladen waren und Fragen in den Forschungsprozess einspeisen konnten. Wir hatten aber auch Workshops für bestimmte Gruppen. Da haben etwa Forscherkollegen mit Anwohnern, Naturschutzorganisationen, Landwirten, Wasserbetrieben und Verwaltungen über Risikowahrnehmungen zu Klimawandel und Wasser diskutiert und Lösungsvorschläge evaluiert, die bereits auf dem Tisch liegen und schnell umsetzbar wären. Aus solchen Formaten entsteht ein gemeinsames Problembewusstsein, das Chancen auf bessere, weil umfassendere Lösungen eröffnet.

Wie geht es nun weiter mit CliWaC?

Mit CliWaC haben wir ein Forschungsnetzwerk zum Thema Wasser geschaffen. Damit haben wir Wissenschaftler*innen und Experten miteinander vernetzt, die nun gemeinsam weitere Forschungsprojekte anstoßen wollen. Dazu zählt etwa unsere Mitwirkung am geplanten Einstein Center for Climate Change. Ein wichtiger Konnex, um dieses Netzwerk zusammenzuhalten wird der CliWac-Explorer sein. Und deshalb sind wir bereits auf der Suche nach geeigneten Fördertöpfen, um den Explorer fortzuführen und weiterzuentwickeln.