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Kein Gedächtnis wie ein Sieb

Neue Studie von Forschungsteam der Freien Universität und dem Exzellencluster NeuroCure der Charité um den Biologie-Professor Stephan Sigrist über Bedingungen für die Fähigkeit von Menschen, im Alter neue Erinnerungen zu bilden

News vom 21.03.2019

Menschen können einer Studie der Freien Universität Berlin und dem Exzellenzcluster NeuroCure der Charité ­– Universitätsmedizin Berlin zufolge in zunehmendem Alter nur dann neue Erinnerungen bilden, wenn ein zelluläres Reinigungsprogramm im Gehirn funktionstüchtig bleibt. Das Programm – die sogenannte Autophagie – muss reibungslos in denjenigen Neuronen im Gehirn ablaufen, die die Erinnerungen speichern, wie ein Team um Prof. Dr. Stephan Sigrist von der Freien Universität sowie dem Exzellenzcluster NeuroCure herausfand. Dies sei die Voraussetzung dafür, dass das gesamte Gehirn in einem geschützten und funktionstüchtigen Zustand gehalten werden kann. Die Studie wurde in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht. 

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausfanden, ist die Fähigkeit der Fruchtfliege Drosophila, etwas zu erinnern, abhängig davon, wie gut das Reinigungsprogramm Autophagie in einem spezifischen Lern- und Gedächtniszentrums in ihrem Gehirn funktioniert. Die Fruchtfliege gilt als etabliertes genetisches Modell für eine altersbedingte Gedächtnisstörung. „Eine genetische Blockade der Autophagie in diesem Lern- und Gedächtniszentrum verursachte eine frühzeitige Gedächtnisstörung, die junge Tiere bereits ,alt‘ aussehen ließ“, erläutert Biologie-Professor Stephan Sigrist, der 2014 als Einstein Professor nach Berlin berufen werden konnte und dessen Professur von der Einstein Stiftung Berlin gefördert wird. Überraschenderweise führte die Blockade der Autophagie in diesen Regionen im gesamten Gehirn zu einer Zunahme dieser präsynaptischen Struktur. Diese Synapsen ähnelten denen älterer Tiere.

Normalerweise unterdrücke die Freisetzung schützender Neuropeptide eines bestimmten Typus aus den Lernzentren die synaptische Alterung im Gehirn. Wird die autophagische Reinigung in den Lernzentren allerdings ineffizient, würden auch weniger solcher Neuropeptide freigesetzt, und die Synapsen alterten im gesamten Gehirn. Genau solche Neuropeptide wiederum würden als mögliche Anti-Aging-Faktoren auch für Menschen angesehen und untersucht, sodass direkte Bezüge zur menschlichen Situation wahrscheinlich seien.

NeuroCure ist ein an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der gemeinsamen medizinischen Fakultät von Freier Universität Berlin und Humboldt-Universität zu Berlin, angesiedelter Forschungscluster, der seit 2007 im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wurde. Das Projekt hat auch im Nachfolgewettbewerb, der Exzellenzstrategie, erfolgreich abgeschnitten und erhält seit Anfang 2019 Förderung für weitere sieben Jahre.

Publikation

Bhukel A, Beuschel CB, Maglione M, Lehmann M, Juhasz G, Madeo F, Sigrist SJ. (2019) Autophagy within the mushroom body protects from synapse aging in a non cell autonomous manner. Nature Communications, 21.3.2019; DOI: 10.1038/s41467-019-09262-2.