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Multiple Modernities: Architektonischer Komplex im indischen Chandigarh, entworfen vom Architekten Le Corbusier. ©  Tobias Bohm

Multiple Modernities: Architektonischer Komplex im indischen Chandigarh, entworfen vom Architekten Le Corbusier. © Tobias Bohm

Vielleicht organisiert dann jemand einen Workshop mit Kolleg*innen aus verschiedenen Fachgebieten. Wir hatten kürzlich zum Beispiel eine Veranstaltung, auf der unterschiedliche Perspektiven auf Anonymität diskutiert wurden, also etwa zur Frage, was Anonymität bedeuten kann. Dann geht man auseinander, nimmt das Gehörte mit und fängt an zu schreiben. Die Ergebnisse werden dann zum Beispiel als Themenband publiziert. Zum akademischen Tag gehört, sofern möglich, auch in Ausstellungen zu gehen, Musik zu hören, also medienübergreifend zu denken.

Johnston: Bei unserer Arbeit ist Kommunikation zentral, das miteinander Reden. Das geschieht auf informeller Basis in einer Raucherpause, aber auch auf Konferenzen oder per Email. Um über Fächer und Disziplinen hinweg arbeiten zu können, wie wir es bei Temporal Communities tun, müssen wir uns darüber verständigen, wovon wir eigentlich reden. Denn die gleichen Wörter können in zwei Fächern oder in zwei Sprachen Unterschiedliches bedeuten.

Sie beide arbeiten gemeinsam im Projekt „Multiple Modernities“. Worum geht es dabei?

Andrew James Johnston: Das Projekt Multiple Modernities trifft den Kern dessen, was wir bei Temporal Communities machen. Die gängige Vorstellung von Literatur basiert auf Kategorien wie Werken, Autor*innen und Rezipient*innen. Das ist alles extrem westlich, extrem europäisch, und extrem aus einer Position der Moderne heraus gedacht.

Anne Eusterschulte: Dem Konzept der Moderne liegt dem gängigen Verständnis nach ein westlich geprägtes Modell von zivilisatorischem Fortschritt zugrunde. Aber: Ist es überhaupt gerechtfertigt, ausgehend von diesem Moderne-Begriff in anderen Kulturen nach einer "Moderne" zu suchen? Oder ist das ein Kategorienfehler, also ein Fehler, der darin besteht, dass man einen Gegenstand in einer Perspektive betrachtet, die ihn ‚westlichen‘ Kriterien unterwirft und damit den Blick für die Phänomene in ihrer kulturellen wie geschichtlichen Eigenart eher verstellt?

Das ist eine wichtige Fragestellung. Denn selbstverständlich wollen wir uns öffnen für Weltzugänge anderer Kulturen und Traditionen. Deshalb laden wir bei Temporal Communities Künstler*innen und Literat*innen aus verschiedensten Fächerkulturen und aus anderen kulturellen Kontexten ein, um von ihnen zu lernen. Um in Austausch zu gehen und ein Korrektiv zu haben.