Frau Hehemeyer-Cürten, Sie forschen aktuell für ihre Promotion zu Rinde. Was genau untersuchen Sie?
Hehemeyer-Cürten: Ich konzentriere mich einmal auf die Extraktion von Substanzen und deren Anwendung. Da geht es hauptsächlich um Farbe und Glanz. Ich arbeite viel mit Kaltwasserextraktion und ziehe damit beispielsweise Tannine und andere chemische Verbindungen aus der Rinde. Ich erhalte daraus einen Farbfilm, der ganz unterschiedliche Farben hat. Mal ist es ein tolles Dunkelrot und glänzt, ein anderes Mal ist es orange und matt. Und manchmal sind es sogar Regenbogenfarben. Das ist unheimlich variabel und wir versuchen gerade, die Verfahren zu optimieren, um diese Filme gleichmäßig zu extrahieren. Die gewonnenen Extrakte lassen wir direkt auf der Rinde wieder trocknen und kreieren so eine ganz neue Rindenstruktur und -farbe. Außerdem geht es in meiner Arbeit um das Faltverhalten von Rinde. Rinde kann man schlecht nähen, nageln oder kleben, dafür aber kann man sie tatsächlich gut falten. Und zwar so, dass die Faltung reversibel ist und beispielsweise bei Kontakt mit Wasser aufgeht und sich beim Trocknen wieder schließt. In einem nächsten Schritt könnte man sich überlegen, für welche Anwendungsbereiche das interessant wäre.
Wie sieht ihr Arbeitsalltag als Rindenforscherin aus?
Hehemeyer-Cürten: Das ist sehr vielseitig und unterschiedlich und das ist gerade das Schöne. Wir ernten die Rinde selbst, was körperlich anstrengend ist. Im Frühsommer ist die beste Zeit zum Ernten und nach dem Fällen haben wir ein bis zwei Wochen Zeit, die Rinde zu schälen, bevor sie zu trocken wird. Mit Holzkeilen ziehen wir die Rinde ab und lagern sie in unserem Rindenlager am Max-Planck-Institut in Potsdam. Als Designerin gehe ich dann oft ins Labor, um dort wild mit dem Material herumzuexperimentieren. Ich gehe dabei vielleicht anders vor, als Forschende aus den Natur- und Technikwissenschaften, aber dadurch entdeckt man Dinge, auf die man sonst vielleicht nicht kommt.