Charlett Wenig: Für mich war entscheidend, dass Rinde derzeit vor allem als Abfall betrachtet wird. Fünf bis zwanzig Prozent eines Baumes bestehen aus Rinde. Das meiste davon wird entweder im Sägewerk verbrannt – meistens nass, weil es sich nicht lohnt, es zu trocknen – oder es wird zu Rindenmulch verarbeitet. Schon deswegen lohnt es sich, nach Eigenschaften zu schauen, die das Material für eine Nutzung interessant machen. Rinde wurde schon in der Steinzeit genutzt: Es gab Fußböden aus Birkenrinde. Rinde ist ein Naturmaterial, das man unbearbeitet in großer Länge erhalten kann: Wir haben einmal ein elf Meter langes Stück geschält. Das ist interessant, wenn man in großen architektonischen Skalen denkt. Und dadurch sind natürlich tolle Sachen möglich, wie zum Beispiel unsere Rindenkugel.
Sie meinen damit die sogenannte Bark Sphere – eine Kugel aus Rinde, die auf Stelzen steht und die derzeit hier bei Ihnen am Institut aufgestellt ist. Was hat es mit dieser Kugel auf sich?
Wenig: Wir wollten mit diesem Projekt untersuchen und zeigen, was man gestalterisch im Bereich Design und Architektur aus Rinde machen kann. Das Material sollte dabei im Vordergrund stehen, und nicht das Objekt an sich. Deswegen haben wir mit der Rindenkugel ein sogenanntes Grenzobjekt geschaffen, das viele Fragen aufwirft und zum Nachdenken anregt. Dieser Begriff – Boundary Object – ist aus der Soziologie bekannt. Man kann damit unterschiedliche Aspekte beleuchten. Bei uns waren das folgende Fragen: Wie kann man Rinde verarbeiten? Können wir sie architektonisch nutzen? Wie ist es, in Rinde drin zu sein? Und natürlich wollten wir das Objekt nutzen, um Kommunikation anzuregen. Dazu wird es deutschlandweit in verschiedenen Ausstellungen gezeigt. Die Besuchenden können von unten in die Kugel reingehen und sind dann bis zum Oberkörper von Rinde umhüllt.
Was genau passiert dann auf solchen Ausstellungen?
Wenig: Wenn die Leute dieses Objekt sehen, fragen sie sich erst mal: Was ist denn das? Weil sie es nicht kennen. Das ist auch unser Grundgedanke dabei gewesen: Ein abstraktes Objekt zu schaffen, das die Spekulation über Verarbeitung und Nutzung von Rinde fördert und provoziert. Und dann gibt es einen Austausch. Den meisten Menschen fällt etwa zuerst der Geruch in der Kugel auf. Er ist immer noch harzig und holzig, obwohl die Kugel schon drei Jahre alt ist. Wenn die Kugel in einem sehr hellen Raum steht, ist sie lichtdurchlässig und von innen auch optisch sehr schön. Zusammen mit der gedämpften Akustik ergibt das eine ganz besondere Atmosphäre.