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„Wir bauen Brücken für Karrieren“

Prof. Dr. Annette Mayer | Credit: Mike Henning

Prof. Dr. Annette Mayer | Credit: Mike Henning

Prof. Dr. Annette Mayer, Sprecherin des Steering Committees „Promoting Talent“ der Berlin University Alliance, zieht Bilanz. Im Interview spricht sie über die Meilensteine in der Talentförderung des Verbunds – und darüber, wie gemeinsame Programme Berlin zu einem internationalen Magneten für Wissenschaftler*innen machen.

Der Bereich „Promoting Talent“ kann auf zahlreiche Erfolge zurückblicken: Gemeinsam mit den drei Berliner Universitäten und der Charité wurden Förderprogramme für Forschende aller Karrierestufen (R1–R4) geöffnet, Lücken geschlossen und ein Evaluationssystem etabliert. Highlights sind unter anderem das Graduate Studies Support Program, die Postdoc Academy, das Tenure Track Peer Mentoring und die Berlin Leadership Academy. Diese bieten Workshops, Coachings, Netzwerkevents und innovative Formate wie Job Shadowing oder internationale Konferenzen – mit über 15.000 Teilnahmen seit dem Start.

„Wir haben in kurzer Zeit ein gemeinsames Angebot geschaffen, das Wissenschaftler*innen in ganz Berlin vernetzt und unterstützt“, so Mayer, die an der TU Berlin die Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) leitet. In den kommenden Jahren soll die Zusammenarbeit mit dem Verbund „BR 50“, der Wirtschaft und internationalen Partnern weiter ausgebaut werden, um Berlins Strahlkraft als Wissenschafts- und Karrierezentrum weltweit zu stärken.

Frau Prof. Mayer, Sie vertreten die TU Berlin im Steering Committee „Promoting Talent“ der BUA. Stellen Sie bitte kurz das strategische Ziel von „Promoting Talent“ innerhalb der Berlin University Alliance vor. Was steckt hinter diesem Programmansatz?

Ziel der Berlin University Alliance ist es, eine exzellente Förderung für die Entwicklung der Forschenden auf allen Karrierestufen in dem Wissenschaftsraum Berlin zu etablieren und durch diese Möglichkeiten der Karriereentwicklung in diesem spannenden Wissenschaftsstandort die nationale und internationale Strahlkraft Berlins zu unterstützen.

Warum ist es Ihrer Meinung nach entscheidend, Forschende auf allen Karrierestufen gezielt zu fördern? Und: Was ist das Neue an dem BUA-Ansatz?

Wissenschaft lebt von innovativen Denkansätzen, Perspektivenvielfalt und akademischen Austausch. Um Erneuerung und Lebendigkeit in der Forschung zu fördern, braucht es den Dialog mit Studierenden. Ebenso ist wichtig, die Entwicklungsmöglichkeiten nach dem Studium durch einen guten Übergang in die wissenschaftliche Welt und in Forschungsvorhaben z.B. über eine Promotion zu begleiten und nach der Promotion den Postdocs bei den ersten Schritten in der Entwicklung und Einwerbung eigener Forschungsprojekte und damit einhergehender weiterer Qualifizierung Unterstützungs- und Netzwerkstrukturen zu bieten. Es ist relevant, diese Karriereräume für vielfältige Personengruppen zu öffnen, Brücken in den Übergangsphasen zu bauen und die Entwicklung der Forschenden durch die gezielte Entwicklung ihrer fachlichen und überfachlichen Kompetenzen und den systematischen Ausbau ihres wissenschaftlichen Netzwerks zu unterstützen. Das Neue in der BUA ist, dass wir dies im Schulterschluss zwischen den drei Berliner Universitäten und der Charité tun können und somit ein phänomenales wissenschaftliches Fundament mit exzellenten überfachlichen Förderungs- und Austauschangeboten verbinden können, das in Deutschland einmalig ist.

Was haben Sie und Ihre Kolleg*innen bisher innerhalb der BUA erreicht? Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ergebnisse?

Darstellung der Angebote von Promoting Talent entlang der Kategorisierung der akademischen Leistungsstufen der EU-Kommission

Darstellung der Angebote von Promoting Talent entlang der Kategorisierung der akademischen Leistungsstufen der EU-Kommission

Wir haben in Berlin in jedem der vier Häuser bereits vorher jeweils einen strategischen Schwerpunkt auf die Förderung der Forschenden auf allen Karrierestufen gesetzt. Jedes Haus hat hier unterschiedliche Stärken und Erfahrungshintergründe in die Allianz eingebracht. Uns ist es in einem ersten Schritt wunderbar gelungen, durch eine konsequente und intensive Zusammenarbeit die verschiedenen Elemente und Schwerpunkte zu einem gemeinsamen Angebot zu verbinden und für alle Wissenschaftler*innen (von R1 bis R4) in allen vier Häusern diese Programme zu öffnen. Daraus ist ein vielfältiges Angebot entstanden und eine selbstverständliche Vernetzung über die Häusergrenzen hinweg wurde etabliert. In einem zweiten Schritt haben wir Lücken und blinde Flecken in unseren Angeboten entdeckt und diese über eine Weiterentwicklung von Programminhalten und Implementierung neuer Angebote geschlossen. Und drittens haben wir ein Evaluationssystem etabliert, das uns ermöglicht, unsere Angebote regelmäßig zu überprüfen, kritisch zu hinterfragen und den Bedarfen der Wissenschaftler*innen permanent anzupassen und weiterzuentwickeln.

Diese erfolgreiche Zusammenarbeit war nur möglich, weil es uns gelungen ist, zwischen den Graduate Schools und Einrichtungen zur Förderung akademischer Karriereentwicklungen in den vier Häusern ein vertrauensvolles Miteinander aufzubauen. Dies sehe ich als einen weiteren wichtigen Erfolg an. Wir haben uns Gremien und verbindliche Austauschformate geschaffen, in denen wir sehr engagiert gemeinsam für das Thema „Promoting Talent“ arbeiten. Und wir tun dies in einer gemeinsamen Kultur der Berlin University Alliance vor dem Hintergrund der Kenntnis der teilweise unterschiedlichen Zielgruppen und Bedarfe in den Häusern mit dem festen Willen einen gemeinsamen Wissenschaftsraum zu fördern und zu stärken.

Kommen wir zu den Programmen im Detail: Das Graduate Studies Support Program (R1) bietet eine Kombination aus Workshops, Coaching und Mentoring. Welche Module sind besonders wirkungsvoll – und warum?

Für die Promovierenden ist zu Beginn oftmals das Ankommen in einer neuen Rolle, in neuen Aufgaben und in mehr Selbstverantwortung ein wichtiges Thema. Wir haben hierzu ein Retreat einmal im Semester „kick off your doctorate“, in dem wir mit den Promovierenden außerhalb Berlins 2,5 Tage zu wichtigen Themen wie gelingende Promotion und Betreuungsverhältnis, Themenfindung, Zeitmanagement etc. ins Gespräch kommen und Impulse geben. Außerdem vernetzen sich die Promovierenden in diesen 2,5 Tagen auch über die Hausgrenzen hinweg. Speziell für die internationalen Promovierenden haben wir auch zusätzliche Angebote, um Fragen zu den Besonderheiten des Wissenschaftssystems in Deutschland zu klären und Unterstützung bei der Orientierung zu bieten.

Darüber hinaus sind deutliche Schwerpunkte in unseren Angeboten:

  • die gute Wissenschaftliche Praxis mit einem sehr informativen und umfassenden, online verfügbaren Grundlagenkurs und eine jährlich stattfindende internationale Konferenz
  • das wissenschaftliche Schreiben mit Angeboten von Schreibwochen und vielfältigen Workshops in Präsenz oder online
  • die Unterstützung beim Aufbau von Karrierenetzwerken innerhalb und außerhalb der Wissenschaft mit jährlich stattfindenden Career Days mit Impulsvorträgen, Diskussionsrunden und Beratungsangeboten und
  • eine Sensibilisierung für das Thema Mental Health bereits in der frühen Phase der wissenschaftlichen Karriere mit entsprechenden Formaten.
BUA Job Shadowing Event 2024 | Credit: Simon Brunel / Limo for Research

BUA Job Shadowing Event 2024 | Credit: Simon Brunel / Limo for Research

Wie unterstützt die Postdoc Academy (R2) promovierte Forschende dabei, gezielt ihre nächsten Karriereschritte zu planen – auch über den universitären Kontext hinaus?

Zum einen können Postdocs in Workshops und Coachings tiefer eintauchen in die Entdeckung eigener Stärken und Werte, um bewusster zu entscheiden, welche Umgebung und welche Themen mit den eigenen Stärken und Kompetenzen am besten harmonieren. Außerdem ist es wichtig, neben Karrierewegen in unterschiedlichen Universitäten auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in den Blick zu nehmen. Aber auch nicht-wissenschaftliche Karrieremöglichkeiten z.B. in der Industrie, in der Politikberatung, in politischen Einrichtungen oder NGOs etc. zu entdecken.

Die Postdoc-Academy unterstützt gerade das Thema Karriereentwicklung auf eine vielfältige und außergewöhnliche Art und Weise: es gibt Coaching und Workshop-Angebote, Netzwerkveranstaltungen, Karrieremessen, vielfältige Beratungsangebote und ein Job-Shadowing-Programm mit hosts aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und auch der Wirtschaft. Dadurch wird Postdocs die Möglichkeit gegeben, eine Woche in eine andere berufliche Welt hineinzuschnuppern und Impulse für mögliche weitere Schritte zu erhalten.

Der Tenure-Track Peer Mentoring-Ansatz (R3) verspricht horizontale Vernetzung unter Gleichgesinnten. Wie wirkt sich dieses Format auf Tenure-Track-Professor*innen aus?

Teilnehmende des Programms berichten, dass ihnen diese horizontale Vernetzung sehr geholfen hat, offen über den Umgang mit den Herausforderungen in der Zeit des Tenure-Tracks zu sprechen und sich über verschiedene Strategien des Umgangs mit diesen Herausforderungen auszutauschen. Die Teilnehmenden erleben den vertrauensvollen Austausch mit Gleichgesinnten als unterstützend und sehr hilfreich bei dem wichtigen Übergang in eine unbefristete Professur. Darüber hinaus werden hier gewissermaßen nebenbei teilweise auch gemeinsame Forschungskooperationen und gemeinsame Projekte entwickelt.

Die Berlin Leadership Academy (R4) richtet sich an erfahrene Wissenschaftler*innen und Führungskräfte. Welches Verständnis von „nachhaltiger Führung“ wird hier vermittelt?

Eine wertschätzende Führungskultur, die unterschiedliche Talente entdeckt und fördert, ist gewissermaßen die andere Seite der Medaille für eine exzellente Entwicklungsmöglichkeit der Wissenschaftler*innen auf allen Karrierestufen. Nachhaltige Führung gelingt dann, wenn nicht nur der konkrete Beitrag eines Mitarbeitenden innerhalb eines Forschungsvorhabens in den Blick genommen wird, sondern auch die Menschen mit ihren unterschiedlichen Talenten und Stärken gesehen werden und adäquate und individuell differenzierte Unterstützungsangebote für die Weiterentwicklung und Professionalisierung ermöglicht werden, wenn der Zugang in Netzwerke der Scientific Community unterstützt und gefördert werden und wenn eine Stärkung der Eigenverantwortung und Profilbildung ermöglicht wird. Wir sind in der Berlin Leadership Academy überzeugt davon, dass ein ressourcenorientiertes, auf die Stärken der Mitarbeitenden ausgerichtetes Führen sich in guten Ergebnissen von Arbeitsgruppen zeigt und mittel- und langfristig sich auch durch die Herausbildung von stabilen wissenschaftlichen Netzwerken und der Weitergabe einer wertschätzenden Führungskultur auszahlt. Diversitätssensibles Führungsverhalten ist die Grundlage, um heterogene Gruppen zu einem Team zu formen und miteinander innovativ und erfolgreich zu sein.

Austausch über den Dächern Berlins beim International Networking-Event for Postdocs an der BBAW | Credits: Simon Brunel / Limo for Research

Austausch über den Dächern Berlins beim International Networking-Event for Postdocs an der BBAW | Credits: Simon Brunel / Limo for Research

Schauen wir auf ein paar Zahlen: Wie viele Kursteilnehmende konnten Sie zählen und wie viele Workshops wurden bisher angeboten?

In den ersten Jahren bis 2023 haben wir bei den Promovierenden rund 12.000 Teilnahmen in 60 Workshops und 50 Events gehabt. Die Zielgruppe umfasst ca. 20.000 Personen. In der Postdoc-Academy, die wir erst später neu gegründet haben, waren es in dem ersten Jahr rund 800 Teilnahmen in 10 Events und knapp 600 Teilnahmen in 65 Workshops und in der BLA, die ihre Angebote vor allem an Professor*innen adressiert, hatten wir zwischen 2021 und 2024 ca. 2.000 Teilnahmen. Hier könnte man von einer sehr guten Durchdringung der Zielgruppe sprechen, sollte aber auch berücksichtigen, dass wir einige wirklich sehr engagierte Professor*innen haben, die einige Veranstaltungen und Programme besuchen. Insgesamt kann man festhalten, dass es uns gelungen ist, die Programme und Unterstützungsangebote in die Breite zu bringen und gerade z.B. diejenigen Promovierenden mit Angeboten zu unterstützen, die nicht bereits in strukturierten Programmen exzellent aufgehoben sind.

Sie engagieren sich schon seit einigen Jahren für die Karrierebildung innerhalb der BUA. Was hat sie bisher überrascht, mit welchem Ergebnis haben Sie nicht gerechnet?

Ich habe die technischen Herausforderungen unterschätzt, um unterschiedliche Plattformen, Informationssysteme, Evaluationsverfahren und Kommunikationswege miteinander für alle Häuser in Abstimmung zu bringen.

Und worauf sind Sie besonders stolz?

Stolz bin ich darauf, dass wir dies dennoch mit Kreativität und hohem Engagement vieler Personen in den Häusern und in der Management-Unit bei der BUA umsetzen konnten. Uns ist es gelungen, unsere Programme auszurollen und zum Erfolg zu bringen. Wir haben heute in den Kursen Teilnehmende aus allen Häusern, und wir haben teilweise auch bereits begonnen, unsere Angebote für BR 50 zu öffnen, was für die Entwicklung des Wissenschaftsstandorts Berlin als ein Karriereraum zielführend und bereichernd ist.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass es uns in so kurzer Zeit gelungen ist, die Postdoc Academy mit ihren vielen verschiedenen Angeboten auf den Weg zu bringen und somit durch die BUA diese bisher eher wenig berücksichtigte Zielgruppe in besonderer Weise zu unterstützen. Und ich bin sehr dankbar dafür, mit so kompetenten Kolleg*innen in den anderen Häusern und in der Management-Unit vertrauensvoll zusammenarbeiten zu dürfen und dabei jeden Tag etwas hinzuzulernen – neue Konzepte zu entwickeln, umzusetzen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Wir haben in den Evaluationen über alle Karrierestufen hinweg fantastische Zufriedenheitswerte von über 90% - das ist unser Ansporn.

Wenn Sie fünf Jahre vorausblicken: Wie könnte die akademische Landschaft Berlins auch durch Programme in Promoting Talent verändert sein?

Die Erweiterung und gemeinsame Entwicklung von Programmen im Wissenschaftsraum gemeinsam mit BR 50 wird voranschreiten und noch intensivere Impulse geben können und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft in der Sichtbarkeit und Gestaltung von alternativen Karrierewegen und in der Gründung von Unternehmen wird an Dynamik weiterhin zunehmen. Auf diese Weise wird insgesamt die Strahlkraft des Karriereraums in Berlin international auf eine nächste Ebene gehoben. Und ich glaube auch, dass die BUA mit Impulsen zu diversitätssensibler Führung einen klaren strategischen Schwerpunkt setzt, damit Berlin seine Offenheit und Vielfalt in der Wissenschaft in besonderer Weise als großen Schatz für Kreativität und Entwicklung weiterhin nutzen und ausbauen kann.

Die Fragen stellte Stefanie Terp.