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Und plötzlich leuchtet die Gewächshauspflanze...

Tiziana Guerra ist eine der fünf Gewinner*innen unseres Ideenwettbewerbs "Kunst trifft Wissenschaft". Gewonnen hat sie in der Kategorie Verantwortungsvolle Innovation.

Tiziana Guerra ist eine der fünf Gewinner*innen unseres Ideenwettbewerbs "Kunst trifft Wissenschaft". Gewonnen hat sie in der Kategorie Verantwortungsvolle Innovation.

Tiziana Guerra entwickelt an der FU Berlin ein Frühwarnsystem, das Pflanzen befähigt, auf Infektionen aufmerksam zu machen – und zwar sichtbar.

Pilzinfektionen zählen zu den größten Bedrohungen im Pflanzenbau – oft entdeckt man sie zu spät, um Ernteverluste zu verhindern. Vor allem in sensiblen Kulturen wie Medizinalcannabis können sie zu enormen wirtschaftlichen und qualitativen Schäden führen.

Genau hier setzt LUMICAN an: ein innovatives Frühwarnsystem, das Tiziana Guerra gemeinsam mit ihrer Forschungsgruppe im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ entwickelt hat. Die Idee: sogenannte Zeigerpflanzen werden mithilfe von Genschere und fluoreszierenden Reportersystemen so verändert, dass sie besonders früh auf das Auftreten des weitverbreiteten Krankheitserregers Botrytis cinerea, auch als Grauschimmel bekannt, reagieren – und bei Infektion sichtbar leuchten. So lassen sich infizierte Pflanzen im Gewächshaus schnell identifizieren, bevor der Pilz sich weiter ausbreitet.

LUMICAN zielt auf eine kostengünstige, skalierbare und nachhaltige Lösung, die gerade kleinen und mittelgroßen Anbaubetrieben den Zugang zu präzisem Pflanzenschutz erleichtern soll. Möglich wird das durch die Kombination von molekularbiologischem Know-how, CRISPR-Cas-Technologie und praxisnaher Transferorientierung. Für diesen Ansatz haben wir Tiziana in unserem Ideenwettbewerb "Kunst trifft Wissenschaft" im Bereich Innovation und Transfer ausgezeichnet.

Im Interview spricht sie darüber, warum Wissenschaft raus aus dem Labor muss, wieso die Bedingungen für Innovation in Berlin großartig sind – und warum eine leuchtende Erdbeerpflanze nicht nur ein schönes Bild ist, sondern ein echter Gamechanger für den Pflanzenbau sein könnte.

Eine leuchtende Erdbeerpflanze an der Oberbaumbrücke. | Artist: Hannelore Braisch

Eine leuchtende Erdbeerpflanze an der Oberbaumbrücke. | Artist: Hannelore Braisch

Liebe Tiziana, herzlichen Glückwunsch, du hast den BUA-Ideenwettbewerb im Bereich Innovation und Transfer gewonnen. Was hat dich dazu bewogen, beim Ideenwettbewerb mitzumachen?

Mir ist vor allem während der Pandemie klar geworden, wie wenig Wissen aus der Forschung tatsächlich in die Bevölkerung getragen wird. Dies führt zu Ängsten, Verschwörungstheorien und Ablehnung. Viele wissen gar nicht, was Forschung heute schon alles kann. Wir Wissenschaftler*innen neigen dazu, unseren Kosmos selten zu verlassen und komplexe Zusammenhänge als „zu kompliziert zum Erklären“ darzustellen. Ich bin wahnsinnig froh, dass Menschen wie Dr. Mai Thi Nguyen-Kim zeigen, wie Wissenschaftskommunikation funktioniert und es dafür auch ein Publikum gibt.

Was genau ist eine Zeigerpflanze?

Traditionell sind Zeigerpflanzen Pflanzenarten, welche besonders gut unter bestimmten Bedingungen wachsen und somit auf Eigenschaften des Bodens hinweisen. Ein Beispiel ist die Brennnessel, die besonders häufig auf stickstoffreichen Böden wächst und daher als Zeiger für nährstoffreiche Standorte gilt. Angewandt wird dieses Prinzip beispielsweise im Weinanbau. Hier zeigen Rosen den Befall von Mehltau an, da sie viel anfälliger sind als die umgebenden Weinpflanzen und somit früher und deutlicher erkranken. Weinbauern sind somit gewarnt und können schneller reagieren.

Wir wollen dieses Prinzip für den Indoor-Anbau von Obst, Gemüse und Medizinalcannabis nutzbar machen. Dazu nutzen wir die Genschere CRISPR-Cas um die Kulturpflanze anfälliger zu machen und um einen spezifischen Reporter einzubringen.

Fluoreszierende Pilze (Symbolbild) | Igor Omilaev

Fluoreszierende Pilze (Symbolbild) | Igor Omilaev

Die Pflanzen werden dadurch anfällig, ähnlich wie die Rose im Weinbau, nur dass es sich hierbei eben um eine Erdbeere in der Erdbeerzucht, oder eine Tomate in der Tomatenkultur handelt. Zusätzlich fängt die Pflanze bei Befall an zu leuchten.

Wie bringt man sie zum Leuchten?

Aus der Grundlagenforschung wissen wir, welche Gene bei einem Befall durch bestimmt Pilze, Bakterien oder Insekten schon nach wenigen Stunden angeschaltet werden. Die „Steuereinheit“ eines solchen Gens nennt sich Promoter. Tauscht man nun das Gen hinter dem Promoter gegen einen sogenannten Reporter aus, wird dieser bei Befall angesteuert. Reporter werden in der Forschung häufig verwendet, um die Aktivität von Genen besser untersuchen zu können. Zum Leuchten bringt man eine Pflanze, indem dieser Reporter aus einem Gencluster aus z.B. biolumineszierenden Pilzen wählt wird.

Welche Vorteile bietet dein Ansatz zur Eindämmung von Pilzbefall? Was ist daran innovativ?

Mein Ansatz ermöglicht eine automatisierbare, visuelle Überwachung einer Pflanzenkultur, die kostengünstig und simpel zum Pflanzenschutz beiträgt. Die molekulare Zeigerpflanze steht mit in der Kultur und zeigt den Befall deutlich vor Erscheinen erster Symptome und gibt dem Farmer damit einen zeitlichen Vorsprung. Er kann den Befall eindämmen, Verluste minimieren und präzisen Pflanzenschutz betreiben.

Medizinalcannabis im Labor von Tiziana Guerra | Tiziana Guerra

Medizinalcannabis im Labor von Tiziana Guerra | Tiziana Guerra

„Verantwortungsvolle Innovation“ ist eine der Grand Challenges der BUA. Was macht eine Innovation verantwortungsvoll?

Wir nutzen neueste Erkenntnisse und Methoden aus der Forschung, um schnell und präzise dem Ernteverlust vorzubeugen. Die Reduktion von Pestiziden und Steigerung von keimfreien, gesunden Lebensmitteln trägt zum Erhalt der Lebensmittelproduktion und -sicherheit bei.

Du forschst zu Medizinal-Cannabis, aber auch Erdbeeren und Tomaten. Funktioniert dein Frühwarn-System bei bestimmten Pflanzen besser als bei anderen?

Derzeit sind wir auf Pflanzen beschränkt, die sich genmanipulieren lassen. Aufgrund der Rechtslage in Europa sind geschlossene Indoor-Kulturen außerdem eine Prämisse.

Stichwort Transfer: Wie gelingt der Schritt aus dem Labor in die Praxis? An welchem Punkt befindest du dich gerade?

Derzeit erstellen wir Pilotpflanzen, welche erst unter kontrollierten Laborbedingungen, später dann in Gewächshauskulturen getestet werden sollen. Wir sind in engem Kontakt zu Anbauern, die sich bereits auf die Pilotpflanzen freuen und sie gemeinsam mit uns testen möchten. Auch wenn grüne Gentechnik in Europa eher unbeliebt ist, sehen die Anbauer das große Potenzial.

Auch in der Erdbeerzucht lässt sich das Prinzip der leuchtenden Zeigerpflanzen anwenden | ChatGPT | Tiziana Guerra

Auch in der Erdbeerzucht lässt sich das Prinzip der leuchtenden Zeigerpflanzen anwenden | ChatGPT | Tiziana Guerra

Unsere Zeigerpflanzen dienen als Brückenschlag zu solchen neuen Technologien. Sie sind transgen, werden selbst jedoch nicht konsumiert. Die Technologie dahinter ist jedoch nutzbar, ohne dass Verbraucher*innen (unbegründete) Angst vor Gentechnik im Endprodukt haben müssen.

Wie soll deine Forschung in 5 Jahren angewendet werden?

Mein Wunsch wäre, dass sich Zeigerpflanzen im Gewächshausanbau etablieren und wir so die Lebensmittelproduktion sicherer und auch nachhaltiger gestalten können. Das Prinzip ist auf alle Indoor-Pflanzen anwendbar, die sich gentechnisch verändern lassen. Das Spektrum der Nutzbarkeit ist somit groß. Auch die Stress-Parameter können angepasst werden, sodass Pflanzen nicht nur Infektionen, sondern auch z.B. Stickstoffmangel oder Trockenstress anzeigen können.

Was müsste sich ändern, damit Innovationen wie deine schneller in die Anwendung kommen?

Viele Wissenschaftler*innen sind sehr auf ihre Grundlagenforschung fokussiert und sehen keine Nutzbarkeit ihrer Forschung in der Anwendung. Mir ging es lange Zeit ähnlich. Außerdem fehlen Vorbilder, die zeigen, dass es gelingen kann. Kreativ und innovativ sind viele in der Wissenschaft, vielleicht fehlt der Mut? Leider führen die prekären Arbeitsbedingungen, wie kurze Verträge und kaum Anschlusszusagen dazu, dass Wissenschaftler*innen aussteigen oder das Thema wechseln. Ein stabilerer Karriereweg würde bestimmt dazu beitragen, mehr Innovationen in die Anwendung zu bringen.

Wie sind die Rahmenbedingungen in Berlin für Innovationen wie deine?

Die Rahmenbedingungen in Berlin für Innovationen sind großartig. Es gibt unglaublich viel Unterstützung seitens der Transfer-Manager an Universitäten, viele Start-Ups, die offen für Kooperationen sind. Berlin ist kreativ und innovativ. Jetzt müssen wir das nur noch nutzen.

Liebe Tiziana, danke für das Gespräch!

Erfahre mehr über die BUA-Grand Challenge "Responsible Innovation in Times of Transformation" ➔