Das Wasser ist knapp und wird knapper – Lösungsansätze für Berlin-Brandenburg
Irina Engelhardt hat den Ideenwettbewerb "Kunst trifft Wissenschaft" in der Kategorie "Klima und Wasser" gewonnen.
Irina Engelhardt forscht zu den Grundwasserressourcen in Berlin-Brandenburg und koordiniert das interdisziplinäre Projekt SpreeWasser:N.
Trockenere Sommer, sinkende Grundwasserspiegel, wachsende Städte – in Berlin und Brandenburg spitzt sich die Lage zu. Die Region gehört schon heute zu den heißesten und trockensten Deutschlands. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf: Landwirtschaft, Industrie und Haushalte konkurrieren zunehmend um das, was aus Böden und Flüssen kommt. Besonders kritisch ist die Lage an der Spree, denn mit dem Braunkohleausstieg in der Lausitz fällt ein jahrzehntelanger Zufluss von Sümpfungswasser weg. Das hat massive Auswirkungen – der Spree, bislang eine der wichtigsten Wasserquellen für Berlin, droht im Sommer Niedrigwasser, umgekehrte Fließrichtung sowie teilweise völliger Stillstand.
Hier setzt das große interdisziplinäre Forschungsprojekt SpreeWasser:N an. Es will praktische Ideen entwickeln, wie Wasser in Berlin und Brandenburg besser verteilt, genutzt und geschützt werden kann. Ziel ist es, hilfreiche Werkzeuge, Strategien und gute Beispiele für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser zu schaffen.
Prof. Dr. Irina Engelhardt leitet das Fachgebiet Hydrogeologie an der TU Berlin und möchte mit ihrem Team nicht nur analysieren, wie Wasser in der Region verteilt ist, sondern vor allem, wie es nachhaltiger gespeichert werden kann. Ihr Ansatz: Ein ganzheitliches Wassermanagement, das Disziplinen verbindet, regionale Akteure einbindet und Technologien wie die künstliche Grundwasseranreicherung erforscht.
Für ihre Arbeit wurde Irina Engelhardt bei unserem Ideenwettbewerb in der Kategorie „Klima und Wasser“ ausgezeichnet. Im Interview erzählt Irina, was sie motiviert und warum Wasser alle angeht.
Messgeräte über dem Wasser – eine visuelle Interpretation der Forschung von Irina Engelhardt. Das Motiv wird im Rahmen der Kampagne DAS OFFENE WISSENSLABOR der BUA im Berliner Stadtraum plakatiert. | Artist: Liam Schnell
Liebe Irina, herzlichen Glückwunsch, du hast den BUA-Ideenwettbewerb im Bereich Klima und Wasser gewonnen. Was hat dich dazu bewogen, beim Ideenwettbewerb mitzumachen?
Das Wasserthema beschäftigt uns alle sehr, und wir sind überzeugt, dass auch Menschen außerhalb wissenschaftlicher Kreise ein echtes Interesse daran haben, mehr über dieses kostbare Gut zu erfahren. Die Möglichkeit, durch die Berlin University Alliance und den Ideenwettbewerb eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und den Menschen von unseren Wasserressourcen zu erzählen fanden wir toll.
Was ist auf dem Bild, das du mit dem Künstler Liam Schnell erstellt hast, zu sehen? Wieso habt ihr euch für dieses Motiv entschieden?
Alle Messgeräte, die zusammen zu diesem entzückenden Wesen verschmolzen sind, sind unsere kleinen und großen Helfer bei der Bestimmung der Wasserquantitäten. Alles in allem ist das die Frage für uns – wie viel Wasser ist da?
Mit dem hydrometrischen Messflügel, dem Körper, gehen wir in Fließgewässer und bestimmen durch seine Rotationsfrequenz wie viel Wasser durchs Gewässerbett fließt. Mit dem Kabellichtlot, das Schwänzchen, gehen wir zu Grundwassermessstellen und messen dort direkt wie hoch der Grundwasserstand ist. Die Pegellatten-Arme kommen bei oberirdischen Wasserstands-Messungen in Flüssen und Seen zum Einsatz. Und mit dabei sind natürlich die zwei mit Wasser gefüllten Gefäße, das Probengefäß und der Rundkolben, um auch nach der Qualität des Wassers zu fragen.
Das Motiv ist so quasi ein allround Messwesen, dass sehr schön visualisiert, wie unsere Feldforschung passiert.
Was sind die Hauptprobleme, die die Region Berlin-Brandenburg bei der Wasserversorgung aktuell hat?
Die Region Berlin-Brandenburg gilt als eine der wärmsten und trockensten Regionen Deutschlands. Daher ist hier die Wasserknappheit besonders groß. Neben den klimatisch bedingten Dürreperioden und der erhöhten Verdunstung und Transpiration, zehren sozioökonomische Entwicklungen an den angeschlagenen Grundwasserreserven. Der Wasserbedarf in Landwirtschaft, Industrie und privaten Haushalten, im Zusammenhang mit Bevölkerungszunahme sowie erhöhtem Verbrauch an besonders heißen Tagen, wächst.
Es ist wichtig, dass wir auch den Ausstieg aus der Braunkohleförderung im Lausitzer Revier zur Sprache bringen. Während des Braunkohleabbaus wurden jahrzehntelang Sümpfungswässer in die Spree eingeleitet, was die Wasserführung des Flusses kontinuierlich künstlich überhöht hat.
Die Spree ist mit der wichtigste Wasserlieferant in unserer Region. Mit dem Braunkohleausstieg wird aus einer Wasserquelle eine Wassersenke. Besonders in den trockenen Sommermonaten werden wir mit Herausforderungen wie Niedrigwasser im ökologisch kritischen Bereich, umgekehrter Fließrichtung sowie teilweise völligem Stillstand der Spree konfrontiert sein.
In Kürze – der „Wasserdurst“ ist bereits groß und wächst weiter, das Wasserangebot ist knapp und wird knapper.
Das SpreeWasser:N-Projekt forscht zu einem „integrierten Wasserressourcenmanagement“ – was bedeutet das?
Integriert heißt für uns, unterschiedliche Forschungsrichtungen zu verknüpfen, Nachhaltigkeit als leitendes Prinzip zu wahren und partizipativ vorzugehen. Durch den ganzheitlichen Ansatz können wir gezielt auf Fragestellungen zu Wasserressourcen in der Region Untere Spree eingehen. Unsere Berechnungen und Prognosen berücksichtigen mit größtmöglicher inhaltlicher Breite verschiedenste Aspekte der Wasserressourcen – von klimatischen Veränderungen über geologische Strukturen bis hin zu rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Einbeziehung von Stakeholder*innen aus der Region ist uns einerseits wichtig, weil wir schlussendlich an Lösungen für sie arbeiten und sie uns am besten Feedback zu ihrer ganz konkreten Realität geben können. Zugleich verfolgen wir das Ziel, dass unsere Produkte und Vorschläge über die Projektlaufzeit hinaus Wirkung entfalten und von möglichst vielen Nutzer*innen angenommen werden.
Welchen Aspekt bearbeitest du an der TU Berlin?
Wir arbeiten neben der Projektkoordination schwerpunktmäßig an dem Grundwasser. Wir haben im Rahmen von SpreeWasser:N ein geologisches 3D-Strukturmodell und darauf aufbauend ein Grundwasserströmungsmodell für die Modellregion Untere Spree entwickelt.
Diese Modelle ermöglichen es uns, scharf fokussiert in den Untergrund zu blicken. Wir fragen, wie, wohin, wie schnell und ob überhaupt das Grundwasser in den unterschiedlichen Grundwasserstockwerken fließt. Wir bestimmen gerade, wie alt das Wasser ist und überwachen die Grundwasserspiegel in Feldmessungen. Zurzeit wird zum Bespiel das Wasser zur Trinkwasserversorgung in Brandenburg primär aus dem zweiten Grundwasserstockwerk entnommen. Dieses Wasser hat sich vor ca. 50 – 100 Jahren gebildet. Durch Grundwasserdürren kommt es zu Entnahmen aus tieferen Stockwerken und von älterem Wasser. Das sind einerseits endliche Ressourcen und andererseits hat das ältere Wasser auch andere chemische Eigenschaften, die wiederum gegebenfalls Aufbereitungsmaßnahmen erfordern.
Du skizzierst in deinem Projekt Möglichkeiten, das Grundwasser künstlich anzureichern. Wie macht man das?
Einer unserer Vorschläge für die langfristige Begrenzung des Grundwasser-Problems ist das Managed Aquifer Recharge (MAR), also die künstliche Grundwasseranreicherung. Wir analysieren wo und wann Wasser aus den Oberflächengewässern entnommen werden kann, um es dann, mittels der jeweils geeigneten Versickerungsmethode, in unterirdischen Grundwasserleitern zu speichern. Vor allem die Starkniederschläge verdienen hierbei besondere Aufmerksamkeit. Bisweilen verlässt das Niederschlagswasser das System der Modellregion als Basis- und Zwischenabfluss ohne zur Grundwasserneubildung beizutragen. Das liegt unter anderem an wasserundurchlässigen Rupelton-Schichten im Boden.
Bei der künstlichen Grundwasseranreicherung wird überschüssiges Wasser über Injektionsbrunnen in den Grundwasserleiter eingespeist, aus denen es nach Bedarf auch wieder gefördert werden kann. Credit: Dr. Ata Joodavi
Dieses Problem können wir durch die Anlegung von tiefen Injektionsbrunnen umgehen. Das überschüssige Wasser wird durch den Brunnen in den Grundwasserleiter eingespeist, aus dem es dann nach Bedarf auch wieder gefördert werden kann. So tragen wir einerseits zu Grundwasserneubildung bei und andererseits zur grundlegenden Wassersicherheit.
Wie realistisch ist der Einsatz solcher Technologien in Berlin und Brandenburg?
Bezogen auf die Realisierbarkeit von MAR lässt sich zunächst festhalten, dass die Speicherung von Wasser im Grundwasserleiter rechtlich grundsätzlich zulässig ist, jedoch einer behördlichen Genehmigung bedarf. Die Zulassung ist an strenge wasserrechtliche Regelungen geknüpft und mit der Auflage einer chemischen Wasseraufbereitung verbunden. Wir stehen in Berlin und Brandenburg häufig vor mangelnden Zuständigkeiten.
Was bedeutet deine Forschung konkret – werden wir in Zukunft sparsamer mit Wasser umgehen müssen?
Das Ausmaß des Wasserproblems ist zu groß, um es mit Wassersparen in Privathaushalten und der Gartenbewässerung alleine lösen zu können. Unsere Forschung stellt zunächst räumlich und zeitlich hochaufgelöste Prognosen für das Eintreten einer Wasserknappheit auf. Somit können Wasserwirtschafter*innen in den wasserintensiven Zweigen, wie Industrie und Landwirtschaft, ihre Wasserressourcenplanung kurzzeitig anpassen. Die zweite Säule unserer Forschung ist die Speicherung. Es geht nicht nur um einen reflektierten Umgang mit Wasser, sondern auch darum, dass wir das, was uns zur Verfügung steht, so effizient wie möglich nutzen.
Die Prognosen, die deinem Forschungsthema zugrunde liegen, sind insgesamt recht düster. Was gibt dir Hoffnung, dass wir Menschen einen bewussteren Umgang mit der Ressource Wasser lernen können?
Es sind auch schon Landwirt*innen und Landeigner*innen aus dem Spreewald auf uns zugekommen, um sich Informationen zu Möglichkeiten einer Wasserrückhaltung einzuholen. Mittlerweile sind Wasserextreme so allgegenwärtig, dass wir eher auf Interesse unserer Arbeit gegenüber stoßen.
Im Projekt SpreeWasser:N sind viele Partner vereint. Wie funktioniert das Arbeiten über die verschiedenen Disziplinen und Einrichtungen hinweg?
Wir waren von vorne herein sehr daran interessiert, das Projekt breit aufzustellen, um viele Aspekte des Wasserkreislaufes der Modellregion Untere Spree so detailliert wie möglich zu bearbeiten. Es ist manchmal etwas knifflig, die auf ihren jeweiligen Gebieten hoch spezialisierten Partner von ihrer eher globalen Sicht zurück zu unserer Pilotregion zurückzubringen. Im Wesentlichen sind es jedoch genau diese umfassenden Kenntnisse, die unserem Projekt zugutekommen. Durch die Zusammenarbeit über disziplinäre Grenzen hinweg wird der Diskurs in unserer Arbeitsgruppe erheblich bereichert – auch wenn die lebhaften Diskussionen mitunter sehr lange andauern können.
Liebe Irina, danke für das Gespräch!
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