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Frau Prof. Siegmund, Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern heilen und therapieren normalerweise Kranke. Ihre Initiative ImmunoPreCept zielt nun darauf ab, Krankheiten zu verhindern. Bekommen die Kliniken eine neue Aufgabe?

Momentan warten wir, bis die Leute krank sind, und dann therapieren wir sie. Die demografische Entwicklung zeigt uns aber, dass wir in zehn Jahren nicht mehr genug Ärzte, Pflegepersonal und Kapazitäten haben werden, um die Bevölkerung medizinisch so zu versorgen wie heute. Wir müssen uns also Gedanken darum machen, wie wir die Menschen möglichst lange gesund erhalten können, damit sie weniger stationäre Behandlung benötigen. Dafür müssen wir besser verstehen, welche Mechanismen in den Körperzellen zur Gesunderhaltung beitragen und wir müssen Strategien identifizieren, um diese zu stärken. Das ist eine neue Form von Prävention.

Sie sind Leiterin der Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie in Berlin – mit Spezialisierung auf Gelenk-, Infektions- und Magen-Darm-Erkrankungen. Wie hängen die bislang als unheilbar geltenden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa mit der Entstehung von Krebs zusammen?

Beides, die entzündlichen Krankheiten und auch der Krebs, beruhen auf einer Störung der Immunabwehr. Der Zellstress, den eine lange andauernde Entzündung auslöst, vor allem im Dickdarm, erhöht das Risiko, ein Karzinom zu entwickeln.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit in dem geplanten Cluster aus Ärztinnen und Ärzten, Medizintechnik, Bioinformatik und anderen Fachbereichen?

Die Idee des Clusters ist, zu verstehen: Was muss ich machen, damit ich keinen Tumor bekomme? Wie bleibe ich gesund? Wir suchen nach Mechanismen, die unsere Gesundheit erhalten sowie nach dem Schalter, der den Körper von gesund auf krank schaltet, nach den Signalen, die die einzelnen Zellen dafür geben. Wissenschaft und Klinik arbeiten hier an der Charité Hand in Hand. Die Idee des „ImmunoPreCept“-Clusters stellt nun einen noch größeren Wurf dar. Um genauer zu verstehen, was in der einzelnen Zelle passiert, müssen wir tief in sie hineinblicken und dafür gemeinsam über verschiedene Disziplinen hinweg neue Technologien entwickeln oder bereits im Verbund vorhandene Technik weiterentwickeln.