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Die 100 wichtigsten Köpfe der Berliner Wissenschaft. Folge 8: Sie schwimmen gegen den Strom

28.10.2024

Entschlossen, unnachgiebig und konsequent verfolgten diese Wissenschaftler ihren Kurs und setzten sich damit durch. Konventionen hinterfragen sie – und aus Gegenwind ziehen sie nur noch mehr Energie.

  • Prof. Dr. Ana Pombo (Charité - Universitätsmedizin Berlin): Zwar scheint das Erbgut auf den ersten Blick unordentlich, tatsächlich folgt es einer verborgenen Architektur. Wenn dann mehrere Gene nah an einem Ort zusammenkommen, werden sie effizienter aktiviert. Diese Art der genetischen Steuerung kann alle möglichen Lebensprozesse beeinflussen: die Entwicklung des Körpers, aber auch Krankheiten wie Krebs oder Epilepsie. Für diese Ideen bekam Pombo, Professorin für „Transkriptionale Regulation und Genom-Architektur“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und Vizedirektorin für Forschung am Max Delbrück Center für Molekulare Medizin anfangs massiven Gegenwind, später erst Anerkennung: 2025 wurde sie mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet, der höchsten wissenschaftlichen Auszeichnung hierzulande. Nun baut die Portugiesin an einem Gesamtbild des Zellkerns, das sich für sie wie ein Ökosystem aus DNA, Eiweißen und allerlei anderen Molekülen anfühlt.

  • Prof. Dr. Jens Kurreck (Technische Universität Berlin): Innovationen sind auch ohne Tierversuch möglich, zeigt Jens Kurreck, Professor für angewandte Biochemie. Er beschäftigt sich an der TU Berlin mit RNA-Technologien, personalisierten Therapien und Organmodellen aus dem 3D-Biodrucker. Gemeinsam mit seinem Team gelang ihm ein Durchbruch: Sie stellten erstmals eine Leber aus menschlichen Zellen her – ganz ohne Materialien tierischen Ursprungs. Neben den ethischen Aspekten könnte das auch die Übertragbarkeit von Studienergebnissen auf den Menschen verbessern.

  • Dr. Katarina Riesner (Charité - Universitätsmedizin Berlin): Ganz vermeiden lassen sich Tierversuche vorerst nicht. Genau deswegen sollten die Bedürfnisse der Labortiere ganz vorn im Pflichtenheft der Forscher stehen, findet Riesner. Und will ihre Kollegen davon überzeugen, über das gesetzliche Minimum hinauszugehen. Das ist zwar aufwändig, führt aber zu besseren Ergebnissen. 

  • Dr. Anna Abalkina (Freie Universität Berlin): Die Ökonomin und Osteuropaforscherin hat jahrelang systematisch Plagiate, gekaufte Autorenschaften und „Fabriken“ für wissenschaftliche Aufsätze dokumentiert. Die Recherchen zu gekaperten Fachzeitschriften brachten selbst den Großverlag Elsevier zum Handeln. Inzwischen steht ihr Name auf einer offiziellen Überwachungsliste des russischen Regimes, im Westen dagegen gilt sie als eine der wichtigsten Stimmen im Kampf für saubere Forschung. Das Fachmagazin „Nature“ kürte sie zu einer der zehn einflussreichsten Forschenden im Jahr 2024. 

  • Prof. Dr. Stefanie Marker (Technische Universität Berlin): Die Professorin treibt die Elektrifizierung des LKW-Verkehrs voran, denn die Fahrzeuge verursachen ein Zehntel der globalen CO₂-Emissionen. 2020 startete sie das Projekt „eHaul“ mit automatischen Batteriewechselstationen, was Speditionen Zeit und Kosten erspart. Heute arbeitet sie mit europäischen Herstellern und Normungsinstituten an Standards, um E-Trucks auf Europas Straßen zu bringen. 

  • Prof. Dr. Tanja Kneiske (Technische Universität Berlin): Tanja Kneiske stellt sich den technischen Hürden, Energieinfrastrukturen effizienter zu machen. Nun wurde die Physikerin und Ingenieurin neben vier anderen Wissenschaftlern von der Bundesregierung in den Expertenrat für Klimafragen berufen. Seit 2024 leitet sie ein neues Fachgebiet zum Thema an der TU Berlin sowie ein Kompetenz-Zentrum an der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie in Cottbus.

  • Prof. Dr. Petra Anders (Humboldt-Universität zu Berlin): Um der sinkenden Lese- und Sprachkompetenz von Kindern auf die Sprünge zu helfen, sind ganz neue Impulse nötig. Anders entwickelte etwa einen Poetry-Slam für Grundschulkinder. Zudem rief sie den „Praxisschock-Slam“ ins Leben. Dabei schreiben Lehramtsstudierende mit erfahrenen Lehrkräften Texte über ihre Erlebnisse im Schulalltag und tragen sie im Berliner Grips-Theater vor. Für ihre kreativen Ideen wurde sie mit dem Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet.

Sie alle wurden heute im Tagesspiegel (8.10.2025) im Rahmen der Serie „Die 100 wichtigsten Köpfe der Berliner Wissenschaft“ vorgestellt. Mehr im Tagesspiegel (T+).

Credit: Berlin University Alliance

Credit: Berlin University Alliance