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Wissenschaft gebloggt

Thesen diskutieren, Ideen vorstellen oder Veranstaltungen vor- und nachbereiten: Blogs sind ein neues Kommunikationsmedium in der Wissenschaft – drei Beispiele aus Berlin

23.04.2019

Wissenschaft en Blog: Forschung zum Nachlesen und Mitnehmen.

Wissenschaft en Blog: Forschung zum Nachlesen und Mitnehmen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Altes Zeug? Von wegen! Das Berliner Antike*-Blog kann nicht nur Fachleute überraschen, sondern auch Laien neugierig machen: Da erzählt etwa der Leipziger Maler Michael Triegel in der Rubrik Kennenlernen! über seine künstlerischen Auseinandersetzungen mit biblisch-mythologischen Stoffen und deren Adaption für die heutige Zeit; ein Artikel in der Rubrik Erleben! gibt Tipps, wie ein Science-Slam-Beitrag durch Witz, Kostüme oder Schminke punktet; in der Rubrik Erforschen! wird über Analyse, Diagnose und Vermittlung seltener Erkrankungen aus der Vor- und Frühzeit berichtet. Zum Nachlesen! findet sich in der gleichnamigen Rubrik Interessantes zu altertumswissenschaftlicher Forschung in Berlin noch einmal zusammengestellt. Vom Berliner Antike-Kolleg (BAK) im November 2018 an den Start gebracht, zeigt das Blog schon nach weniger als drei Monaten ein faszinierendes Panorama der vielseitigen Altertumswissenschaften in Berlin und Brandenburg.

„Statt nur Forschungsergebnisse vorzustellen, sollen die Personen dahinter sichtbar, Arbeitsprozesse nachvollziehbar werden.“ Henrike Simon

Henrike Simon ist Geschäftsführerin des Berliner Antike-Kollegs.

Henrike Simon ist Geschäftsführerin des Berliner Antike-Kollegs.
Bildquelle: privat

Außer an der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin – zwei der sechs Trägereinrichtungen des BAK – sind Altertumsforscherinnen und -forscher in der Hauptstadtregion an einer Reihe weiterer Institutionen angesiedelt – und auch schon über verschiedene Angebote des Berliner Antike-Kollegs vernetzt: über Facebook, Twitter, Newsletter und Online-Kalender. „Das Blog soll über die reine Informationsvermittlung hinausgehen, wir wollen die Kommunikation vertiefen und damit den Diskurs zu altertumswissenschaftlichen Themen fördern“, sagt Henrike Simon. Die Geschäftsführerin des Berliner Antike-Kollegs hat das Blog konzipiert: „Wir wenden uns primär an den wissenschaftlichen Nachwuchs und an die breitere Öffentlichkeit.“

Forscherinnen und Forscher werden animiert, in der Rubrik Mitmachen! selbst Beiträge zu posten oder sich mit anderen auszutauschen. Das Blog will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch über einen längeren Zeitraum bei ihrer Arbeit begleiten. „Statt nur Forschungsergebnisse vorzustellen, sollen die Personen dahinter sichtbar, Arbeitsprozesse nachvollziehbar werden“, erklärt Simon. „Das zeigt, wie spannend die Altertumswissenschaften sind, regt den Austausch und die Debatten darüber an.“

Till Breyer und Nora Weinelt leiten derzeit die Redaktion des Blogs „Literaturwissenschaft in Berlin“.

Till Breyer und Nora Weinelt leiten derzeit die Redaktion des Blogs „Literaturwissenschaft in Berlin“.
Bildquelle: Privat

Das Berliner Antike-Blog ist nicht alleine. Dieses flexible Kommunikationsmittel bewährt sich an verschiedenen Orten der Berliner Wissenschaftslandschaft.

„Wissenschaftskommunikation und die Erprobung von neuen, kürzeren Formaten ist uns wichtig.“ Rebecca Mak

So berichtet das Blog Literaturwissenschaft in Berlin über Veranstaltungen, Initiativen und Forschungsprojekte rund um die Berliner Literaturwissenschaften. Es wurde von der an der Freien Universität Berlin angesiedelten Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien (FSGS) mit Beteiligung der Humboldt-Universität zu Berlin 2016 gegründet. Wissenschaftspolitische Themen werden dort diskutiert, literaturwissenschaftliche Projekte und Impulse dargestellt sowie kritisch reflektiert. Das Blog dient als Raum für kritisches Denken und Berichte außerhalb der universitären Strukturen. „Die FSGS hat die Blog-Idee ihrer Mitglieder von Beginn an unterstützt, nicht zuletzt, weil wir Wissenschaftskommunikation und die Erprobung von neuen, kürzeren Formaten, die nicht alleine das universitäre Publikum erreichen sollen, für wichtig halten“, sagt Rebecca Mak, Geschäftsführerin der FSGS.

Auch hier zeigt sich ein buntes Bild: In der Rubrik Neulich in Berlin werden literatur- und kulturwissenschaftliche Veranstaltungen der letzten Wochen resümiert und eingeordnet. Akteurinnen und Akteure aus der Wissenschaft sowie aus angrenzenden Bereichen kommen in der Rubrik Im Gespräch mit ... zu Wort: Literaturschaffende selbst, Akteurinnen und Akteure des Kulturbetriebes. Die Positionen versammeln essayistische Texte, die innerhalb aktueller Debatten wie etwa der Frage einer gendergerechten Sprache Stellung beziehen und Argumente anbieten. In den Kritiken werden Neuerscheinungen aus dem Fach, aber auch aus der Gegenwartsliteratur diskutiert – dezidiert in einem lockeren, essayistischen Stil. Le journal intime versammelt persönlichere Einblicke und Schlaglichter von Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftlern auf Aspekte, die in normalen Fachpublikationen fast immer außen vor bleiben: Wie sieht die eigene Schreibpraxis aus? Welche Textpassagen gehen jemandem seit Jahren nicht aus dem Kopf? Wie steht man zu seinen eigenen Veröffentlichungen von früher?

„Die Projekte und Publikationen, die bei uns besprochen werden, sind meistens deutschlandweit und international vernetzt, sodass unsere Texte auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die Berliner Wissenschaftsszene hinaus gelesen werden“, erläutert Till Breyer, der mit Nora Weinelt derzeit die Redaktion leitet. „Auch durch wechselseitige Bezugnahmen mit Blogs wie dem Merkurblog oder avldigital kommt dem Blog Literaturwissenschaft in Berlin eher der Charakter eines kleinen Netzwerkknotens zu.“

Die Literaturwissenschaftlerin Marion Acker ist ebenso Redakteurin des Wissenschaftsblogs "Affective Societies" wie ...

Die Literaturwissenschaftlerin Marion Acker ist ebenso Redakteurin des Wissenschaftsblogs "Affective Societies" wie ...
Bildquelle: Miriam Klingl

... die Theaterwissenschaftlerinnen Friederike Oberkrome und ...

... die Theaterwissenschaftlerinnen Friederike Oberkrome und ...
Bildquelle: Miriam Klingl

... und Theresa Schütz.

... und Theresa Schütz.
Bildquelle: Miriam Klingl

„Dynamiken des Zusammenlebens in bewegten Welten“: Das wäre eine passende Umschreibung für das Phänomen Blog, beschreibt hingegen den Fokus des an der Freien Universität Berlin angesiedelten Sonderforschungsbereichs (SFB) Affective Societies mit Beteiligung der Technischen Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dort wird die fundamentale Bedeutung von Emotionalität und Affektivität für das soziale Zusammenleben in den mobilen und vernetzten Welten des 21. Jahrhunderts untersucht. Begleitend hierzu betreiben die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses SFB wiederum ein Blog gleichen Namens. Die verantwortlichen Teams sind interdisziplinär besetzt und wechseln sich halbjährlich ab. Aktuell wird die Redaktion von Marion Acker aus der Literaturwissenschaft sowie Friederike Oberkrome und Theresa Schütz aus der Theaterwissenschaft bestritten.

„Wir bringen uns mit dieser Arbeit aktiv in gesellschaftlich virulente Debatten ein.“ Friederike Oberkrome

„Bei regelmäßigen Treffen entwickeln wir inhaltliche Ideen, diskutieren Formate und besprechen den Status der aktuellen Themenplanung“, sagt Marion Acker. Die Texte kommen aus einem größeren Kreis, aus den verschiedenen Teilprojekten und Disziplinen des Verbundes. „Die Autorinnen und Autoren bieten uns Themen oft von sich aus an, umgekehrt treten auch wir mit Ideen an die Leute heran“, so Theresa Schütz. „Neben eher klassischen Informationen über Tagungen, Konferenzen und Workshops ermöglicht das Blog durch seine offene Form auch die Auseinandersetzung mit Gedankenansätzen und Ideenentwürfen, die als ‚work in progress‘ zu verstehen sind“, ergänzt Acker.

Zum Mehrwert der inhaltlichen Auseinandersetzungen kommt ein weiterer positiver Effekt: die Arbeit am Blog selbst. Im Redaktionsalltag sammeln die Mitglieder der wechselnden Teams Praxiserfahrungen, die über das wissenschaftliche Arbeiten im engeren Sinne hinausgehen. „Die Aufgaben sind vielfältig, das fängt bei der journalistischen Recherche an, geht über das Lektorat bis hin zur Kommunikation mit externen Akteurinnen und Akteuren“, erläutert Friederike Oberkrome. „Außerdem bringen wir uns mit dieser Arbeit aktiv in gesellschaftlich virulente Debatten ein, diskutieren etwa über Zugehörigkeit, Migration und kulturelle Identität.“