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Scharfer Doppelblick auf die Erde

Geographinnen und Geographen von Freier Universität und Humboldt-Universität zu Berlin stellen mit einem Projekt im Amazonasgebiet die Weichen für die kontinuierliche Beobachtung der Erde mit Satelliten.

22.06.2018

Als „grüne Lunge“ der Erde nimmt der brasilianische Regenwald durch Photosynthese große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid auf.

Als „grüne Lunge“ der Erde nimmt der brasilianische Regenwald durch Photosynthese große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid auf.
Bildquelle: Flickr / NEIL PALMER PHOTOGRAPHY

Trotz restriktiven Vorgaben der brasilianischen Regierung, schreitet die Abholzung des Regenwaldes im Land weiter voran. Gründe für die illegalen Rodungen sind der gewinnbringende Anbau billiger Agrarprodukte, wie etwa Soja – auch in Deutschland als Tierfutter eingesetzt – und die extensive Nutzung großer Flächen als Weideland. Durch die Abholzung gerät die Kohlenstoffbilanz weltweit zunehmend in Schieflage, was den Klimawandel verstärkt: Ein intakter Regenwald speichert durch Photosynthese große Mengen an Kohlendioxid. Der Raubbau an der Natur lässt sich vor Ort allerdings nicht zeitnah verfolgen, da der Zugang zu den Gebieten schwierig und die Gesamtfläche mehrfach die Fläche Deutschlands umfasst.

Wie gut eignen sich moderne Fernerkundungssatelliten zur flächendeckenden Kartierung der Abholzungsdynamik? Und welche Informationen lassen sich eigentlich genau aus deren Daten ableiten? Diesen Fragen gingen die Geographen Patrick Hostert von der Humboldt-Universität zu Berlin und Björn Waske von der Freien Universität Berlin im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projektes SenseCarbon (Sentinels supporting carbon estimates and REDD+) nach.

„Sentinels sind eine neue Satellitengeneration, die mit hochauflösenden optischen und Radarsensoren bestückt sind. Sie sollen künftig globale Umweltprozesse engmaschig beobachten“, erläutert Patrick Hostert. Im Rahmen des europäischen Erdbeobachtungsprogrammes Copernicus wurden die ersten ihrer Art 2013 von der Europäischen Weltraumorganisation ESA auf ihre Umlaufbahn gebracht. Ziel von SenseCarbon war es, frühzeitig geeignete Methoden zur Auswertung und Beurteilung der Satellitendaten zu entwickeln – auch für den Umgang mit den dabei anfallenden gigantischen Datenmengen.

Ähnlich wie bei der Radarkontrolle im Straßenverkehr misst ein Sensor die Laufzeit des Radarsignals. Wie viel zurückgestreut wird, hängt davon ab, wie die Erdoberfläche beschaffen ist.

Patrick Hostert ist Experte für optische Sensoren und Big Data, Björn Waske Spezialist für Radardaten. Im SenseCarbon-Projekt können sie ihre Expertisen zusammenführen: Während optische Sensoren bei einer dichten Wolkendecke regelrecht „blind“ sind, dringen Radarstrahlen (Mikrowellen) bei jedem Wetter zur Erde durch und zeichnen dabei ein etwas anderes Bild des Planeten. Für Laien sind Radarbilder nur schwer zu interpretieren. Ähnlich wie bei der Radarkontrolle im Straßenverkehr misst ein Sensor die Laufzeit des Radarsignals. Wie viel zurückgestreut wird, hängt davon ab, wie die Erdoberfläche beschaffen ist. „Ein ruhiger See erscheint annähernd schwarz, feuchte Böden ebenfalls dunkel, weil nur wenig Energie zurückkommt. Vegetation hingegen zeigt sich gräulich oder hell“, erklärt Waske.

Arbeitsgebiete des Projekts in Brasilien. Jedes Kästchen entspricht einem Gebiet von 200 x 200 km - dem sog. "footprint" der Aufnahme. Die Zahlen geben Auskunft über Landsat-Satellitendaten pro footprint (grün = viele Daten; rot = wenige Daten).

Arbeitsgebiete des Projekts in Brasilien. Jedes Kästchen entspricht einem Gebiet von 200 x 200 km - dem sog. "footprint" der Aufnahme. Die Zahlen geben Auskunft über Landsat-Satellitendaten pro footprint (grün = viele Daten; rot = wenige Daten).
Bildquelle: Geographie, Humboldt-Universität zu Berlin

Durch die Kombination beider Bildtypen können die Forscher nun eine sehr viel informativere Karte eines Gebietes erstellen: Die optischen Daten liefern Auskunft über die Vegetation und deren „Gesundheitszustand“. Die Radarbilder lassen Aussagen über Oberflächenrauigkeit und Feuchtegehalt zu – beides ändert sich zum Beispiel bei Entwaldungsprozessen.

Die Sentinel-Satelliten liefern aus gut 700 Kilometern Höhe Bilder mit einer Auflösung von 10 bis 20 Metern. Ein großer Tropenbaum lässt sich da bereits erkennen. „Uns interessiert aber nicht so sehr der einzelne Baum, sondern der Wald. Konkret: wird in einem Gebiet gerade entwaldet oder nicht und was passiert im Anschluss mit der gerodeten Fläche, also welche Landnutzung findet statt“, sagt Hostert.

"Die Satelliten liefern uns alle paar Tage neue Bilder. Das erlaubt uns eine quasi permanente Erdbeobachtung.“ Patrick Hostert

Sentinel-Satelliten bringen nicht nur eine bis dato unbekannte Schärfe ins Bild der Erde, auch die zeitliche Auflösung erhöht sich deutlich. „Während wir früher nur alle paar Wochen Daten bekamen, liefern diese Satelliten uns jetzt alle paar Tage neue Bilder. Das erlaubt uns quasi eine permanente Erdbeobachtung.“ Anders als ihre Vorgänger decken beispielsweise die Sentinel-2-Satelliten einen deutlich breiteren Streifen ab: sagenhafte 290 Kilometer werden gleichzeitig aufgezeichnet. Denkt man an die hohe Auflösung, lässt sich leicht erahnen wie unglaublich viele Daten das sind.

„Wir haben einerseits Methoden entwickelt, mit denen wir nun anhand dichter Zeitreihen hochauflösender Satellitendaten die Landnutzung einer Region sehr genau kartieren können“, sagt Hostert. Für einen anderen Projektpart werteten die Forscher Landsat-Daten für die brasilianischen Bundestaaten Para und Mato Grosso in der Kernregion Amazoniens aus den vergangenen 30 Jahren aus. „Entstanden ist so die erste Karte, auf der wir bis in die 1980er Jahren zurückschauen können, wie die Entwaldung dort vorangeschritten ist.“

Die beiden Geographen kennen sich aus gemeinsamen Zeiten an der Universität Trier und ihre komplementäre Forschung passt hervorragend in die Kooperation zwischen den beiden Berliner Universitäten. Patrick Hostert forscht und lehrt schon seit 2002 an der Humboldt-Universität zu Berlin, Björn Waske kam vor drei Jahren an die Freie Universität. „Seitdem besteht auch unsere enge Kooperation, was ganz wunderbar ist!“, sagt Hostert. „Unsere Expertisen sind komplementär und ergänzen sich perfekt.“

SenseCarbon lief von 2013 bis 2016. Die Ergebnisse des Projektes wurden kürzlich publiziert. Ziel der kontinuierlichen Fernerkundung der Erde ist es unter anderem den Klimawandel, Veränderungen der Landnutzung sowie Ausmaß und Folgen von Naturkatastrophen zuverlässig und engmaschig im Blick zu behalten. Aber auch andere Prozesse, etwa die zunehmende Verstädterung, lassen sich am besten aus der Ferne verfolgen.

Für die Behörden in Brasilien ist die gute Zusammenarbeit zwischen und mit mit den beiden Geographen übrigens auch fruchtbar: Die neuen Kartierungsmethoden liefern ihnen nun zeitnah Informationen, die sie mit ihren gerichtsverwertbaren Beweisen gegen Farmer, die sich illegal am Regenwald zu schaffen machen, abgleichen können.

Schlagwörter

  • Forschung
  • Geowissenschaften