Vom Wohl und Wehe der Wirtschaft
Junge Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler können im Rahmen eines Berliner Promotionsprogramms Debatten in ihrem Fach mitgestalten.
31.01.2018
Doktorandinnen und Doktoranden können am Berlin Doctoral Program in Economics and Management Science zwischen vielfältigen fachlichen Schwerpunkte wählen.
Bildquelle: BDPEMS / Ernst Fesseler
In den USA und auch in Europa wächst die Wirtschaft seit Jahren nur noch langsam. Über die Ursachen herrscht in der Politik und in den Wirtschaftswissenschaften nach wie vor Uneinigkeit. Liegt es an der Finanzkrise von 2008? An einer verfehlten Fiskalpolitik? Oder ist es Teil des regulären Konjunkturzyklus? „Weder noch“, sagt Philipp Pfeiffer. In seinem Büro in der Technischen Universität Berlin geht der Volkswirt einer anderen Ursache nach. Als Hauptfaktor für die schrumpfende Wirtschaftsleistung macht Pfeiffer eine fehlende Innovationskraft aus. „Aus amerikanischen und europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen kommt zu wenig Neues“, sagt er. „Zudem sind technische Durchbrüche heute viel spezieller und damit weniger breit anwendbar.“ Findet Innovation statt, so profitierten nur wenige, sehr große Unternehmen davon. Dies liege auch am Rückgang der öffentlichen Entwicklungs- und Forschungsausgaben, und damit an einer Privatisierung der Forschung. „Kleinere und mittlere Unternehmen bleiben auf der Strecke“, sagt Pfeiffer. „Das schlägt sich langfristig auf die ganze Volkswirtschaft nieder.“
„Doktorandinnen und Doktoranden werden bei uns auf eine internationale wissenschaftliche Karriere vorbereitet.“
Pfeiffer ist Doktorand am Berlin Doctoral Program in Economics and Management Science (BDPEMS), einem internationalen Promotionsprogramm, an dem die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Technische Universität Berlin, das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sowie die European School of Management and Technology und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beteiligt sind. Das Forschungsprojekt ist Teil von Pfeiffers Promotion, bei der er mit einem Professor der Universität St. Gallen und Volkswirten der Europäischen Kommission zusammenarbeitet.
„Wir bereiten unsere Doktorandinnen und Doktoranden auf eine internationale wissenschaftliche Karriere vor", sagt Alexandra Spitz-Oener, Professorin für Applied Microeconomics an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktorin des Programms. Das BDPEMS ist ein strukturiertes Promotionsprogramm nach amerikanischem Vorbild. Bevor die Teilnehmer mit ihrer Forschung beginnen, besuchen sie zunächst zwei Jahre lang Vorlesungen und Seminare. Dabei können sie aus allen Bereichen der Wirtschaftswissenschaft wählen, von Vertiefungskursen der Makro- und Mikroökonomik bis zu speziellen Themen wie der Ökonomie des Klimawandels.
„In der Kursphase erhalten die Doktoranden den methodischen Feinschliff“, sagt Spitz-Oener. „Das ermöglicht ihnen anschließend, sehr schnell wissenschaftliche Leistungen auf außerordentlich hohem Niveau zu erbringen.“
Absolventinnen und Absolventen stehen viele Karrierewege offen. Viele entscheiden sich dabei für öffentliche und internationale Institutionen, beispielsweise für die Europäische Zentralbank in Frankfurt.
Bildquelle: Marco Verch / flickr
Das BDPEMS existiert seit über zehn Jahren. Jedes Jahr gibt es zehn Plätze, darauf bewerben sich 350 Interessierte mit Hochschulabschluss aus aller Welt. Zugangsvoraussetzung ist ein Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften, Mathematik oder verwandten Fächern. Wer in das Promotionsprogramm aufgenommen wird, ist während der Kursphase in der Regel über ein Stipendium versorgt. „Den meisten Promovierenden können wir inzwischen hauseigene Stipendien anbieten“, sagt Frank Heinemann, Professor für Makroökonomie an der Technischen Universität Berlin und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats am BDPEMS. „Wir freuen uns sehr, dass wir vor kurzem eine Förderung der Humboldt-Universität erhalten haben, von denen ein Großteil in weitere Stipendien gehen wird.“ Nach der über Stipendien finanzierten Kursphase, wenn die Promovierenden mit ihrer Forschungsarbeit beginnen, werden sie an einem Arbeitsbereich mit passendem Schwerpunkt angestellt.
„Weil am BDPEMS sechs Forschungseinrichtungen beteiligt sind, können wir eine sehr große Bandbreite unterschiedlicher Schwerpunkte anbieten“, sagt Frank Heinemann. Auch für Philipp Pfeiffer ist das eine der größten Stärken des Programms. „Man kann dadurch auch Forschung abseits der Standardpfade betreiben“, sagt er. So habe er für eine Forschungsarbeit etwa auch verhaltensökonomische Experimente durchgeführt, um herauszufinden, welche Rolle der Faktor Zeit bei Risikoentscheidungen spielt. Seine Probanden mussten bei dem Experiment in einem Labor zwischen Arbeit und Vergnügen entscheiden: Sie konnten YouTube-Videos schauen – mussten aber auch vergleichsweise langweilige Arbeit am Computer leisten und sich entscheiden: erst die Arbeit, dann das Vergnügen? Oder an einem Tag viel Arbeit und am anderen viel Konsum? Für die Chance, mehr Freizeit zu haben, das Risiko eingehen, eventuell mehr arbeiten zu müssen? Oder lieber ein möglichst risikoarmes, ausgewogenes Verhältnis?
„Die aktive Mitgestaltung wissenschaftlicher Debatten durch die Promovierenden spielt am BDPEMS eine große Rolle.“
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Menschen ganz unterschiedliche Vorlieben haben können. Pfeiffer hat jedoch auch festgestellt: „Menschen möchten möglichst früh wissen, wie sich ihr Konsum entwickeln wird – auch wenn sie keinen Einfluss darauf haben.“ Diese Vorliebe sei allerdings weit weniger stark ausgeprägt, als in der modernen Finanztheorie gemeinhin angenommen.
Pfeiffer verfasst am BDPEMS eine sogenannte kumulative Promotion: Statt einer umfangreichen Einzelarbeit schreibt er mehrere einzelne Paper, oft als Teil eines Teams. So machen es viele Promovierende am BDPEMS – und viele dieser Arbeiten werden in führenden Fachzeitschriften veröffentlicht. „Schon vor Abschluss haben viele unserer Teilnehmer so einen hohen wissenschaftlichen Impact“, sagt Frank Heinemann. „Die aktive Mitgestaltung der wissenschaftlichen Debatten ist uns sehr wichtig.“
Nach dem Abschluss streben die meisten Absolventinnen und Absolventen eine wissenschaftliche Laufbahn an und finden Jobs an Universitäten weltweit. Viele gehen auch an öffentliche Institutionen, etwa die Europäische Zentralbank. Auch Philipp Pfeiffer plant, einen europäischen Berufsweg einzuschlagen. Nach Abschluss seiner Promotion wird er eine Stelle als Volkswirt bei der Europäischen Kommission antreten.