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Die Zukunft Berlins mitgestalten

Wie können Wissenschaft und Wirtschaft noch besser zusammenarbeiten? Welche Rolle könnte dabei die Exzellenzstrategie spielen? Ein Interview mit der Präsidentin und den Präsidenten der drei Berliner Universitäten.

12.12.2017

Hochkarätige Ausgründungen werden von den drei Universitäten aktiv gefördert und sind ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Berlin.

Hochkarätige Ausgründungen werden von den drei Universitäten aktiv gefördert und sind ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Berlin.
Bildquelle: Carolin Schmidt

Gründungsförderung wird an den Berliner Universitäten immer wichtiger und auch gemeinsame Projekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft – wie das Einstein Center Digital Future – nehmen an Fahrt auf. Ein Gespräch mit Professorin Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität, Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität und Professor Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität über die Chancen einer gemeinsamen Strategie in diesem Bereich.

Welche Impulse gehen von den Universitäten für den Wirtschaftsstandort Berlin aus?

Christian Thomsen: Unbestritten sind die Universitäten starke Motoren für den Wirtschaftsstandort Berlin. Sowohl als Arbeitgeberinnen als auch aufgrund ihrer Nachfrage nach externen Dienstleistungen, Investitionsgütern und sonstigen Betriebsmitteln sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Berlin. Sie erzeugen Einkommen in Höhe von mehr als 1,7 Milliarden Euro in der Region. Die Versteuerung dieser Einkommen sichert dem Land wiederum mehr als 120 Millionen Euro. Außerdem finanzieren die Universitäten mehr als ein Viertel ihres Haushalts über Drittmittel und binden rund 100.000 Studierende an die Stadt, die mit ihrem Konsum die regionale Wirtschaft beleben. Zum Vergleich: Das Land Berlin gibt 1,18 Milliarden Euro pro Jahr als Landeszuschuss an die Universitäten.

Sabine Kunst: Auch wie sich unsere Metropolregion wirtschaftlich entwickeln wird, wird durch die Universitäten und ihren Wissens- und Innovationstransfer entscheidend mitgeprägt. Insbesondere gemeinsame Forschungsprojekte und Auftragsforschung setzen einen Transfer von Ideen, Innovationen und Know-how in Gang, der die Wettbewerbsfähigkeit bestehender Berliner Unternehmen stärkt. Hinzu kommen die Ausgründungen der Hochschulen, die die Berliner Unternehmenslandschaft verjüngen.

Peter-André Alt: Entscheidend ist, dass diese wissenschaftsbasierte Gründerkultur gefördert wird. Sie hat den Standort Berlin in den vergangenen Jahren zunehmend geprägt. Ohne die Universitäten wären Gründungen weniger substanziell, denn die aus der Wissenschaft hervorgehenden Startups haben häufiger als andere eine nachhaltige Qualität.

Prof. Christian Thomsen ist Präsident der Technischen Universität Berlin.

Prof. Christian Thomsen ist Präsident der Technischen Universität Berlin.
Bildquelle: David Ausserhofer

Wie hat sich der Stellenwert der Gründungsförderung für die Universitäten in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?

Alt: Die Berliner Universitäten haben in den vergangenen zehn Jahren ein Leistungsangebot für Ausgründungen aufgebaut und verstetigt: Wir bieten Räume, Labore, Beratung, Maßnahmen zur Qualifizierung und sind erfolgreich beim Einwerben von Finanzierungen für Gründungsvorhaben. Das macht sich bemerkbar: 69 Prozent der Hochschulausgründungen in der Metropolregion Berlin sind erst in den letzten zehn Jahren entstanden, 45 Prozent sogar erst seit 2011.

Dass sich die Mühe lohnt, zeigen Unternehmen wie die Humedics GmbH: Die Medizintechnikfirma wurde 2009 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität und der Charité gegründet und hat nach langen Entwicklungsphasen vor einigen Tagen die Marktzulassung erhalten.

Thomsen: Der Stellenwert ist an unserer Universität kontinuierlich gestiegen, auch die Drittmittel, die wir dafür eingeworben haben. So haben wir als Technische Universität Berlin Kontakte zu mehr als 1.200 Gründerinnen und Gründern aus unseren Reihen. 30 Start-up-Vorhaben betreuen wir pro Jahr. Gemeinsam mit anderen Berliner Hochschulen haben wir mehr als 600 Ausgründungen befragt: Sie schufen mehr als 22.000 Arbeitsplätze und erwirtschafteten einen Umsatz von 3 Mrd. EUR. Rund 85 Prozent dieser Firmen sind in Berlin und Brandenburg ansässig. Daran erkennt man die Wirtschaftskraft, die ihren Ursprung in den Universitäten und Hochschulen hat.

Kunst: Gründungsförderung genießt an der Humboldt-Universität inzwischen hohe Priorität, auch dank entschiedener politischer Unterstützung und öffentlicher Förderprogramme wie beispielsweise durch Transferbonus.

Unsere beiden Gründerhäuser am Campus Adlershof und am Campus Mitte bieten zusammen etwa 100 Arbeitsplätze für Gründerinnen und Gründer. Dort können Sie den geballten Unternehmergeist unserer Startups und Spin-offs spüren. Mehr als 80 Prozent der von uns betreuten Ausgründungen sind noch nach fünf Jahren am Markt aktiv. Dabei freut es mich, dass sich mit Unternehmen wie greateyes aus der Physik, Smarterials aus der Chemie oder Emolyzr aus der Psychologie hier die gesamte Vielfalt der Forschung widerspiegelt.

Prof. Sabine Kunst ist Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin.

Prof. Sabine Kunst ist Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin.
Bildquelle: Matthias Heyde

Auf welche Weise haben die Erfolge der Berliner Universitäten im bisherigen Exzellenzwettbewerb die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft beeinflusst?

Kunst: Exzellente Forschung ist die Voraussetzung für herausragende Innovationen, die das Interesse der Wirtschaft an Kooperationen mit Universitäten stärken und zu hochkarätigen Ausgründungen führen. Diesen Mechanismus haben die Berliner Universitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative verstärkt und möglichst viele Berührungspunkte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft geschaffen.

Ein Beispiel dafür bei uns sind Humboldts Wagniswerkstätten, die wir dank einer Förderung der IHK Berlin einrichten konnten. Hier bekommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Masterstudierende vermittelt, wie aus Forschungsergebnissen marktfähige Innovationen gemacht werden. Die erworbenen Kenntnisse werden dann in Transfer Labs auf aktuelle Fragestellungen aus Berliner Unternehmen angewendet und zur Entwicklung innovativer Lösungsansätze genutzt.

Thomsen: Aus unserem Exzellenzcluster UniCat, der sich mit der chemischen Katalyse beschäftigt, sind nicht nur Innovationen und Publikationen entstanden, sondern auch neue Ideen für eine Startup-Szene im Bereich der Grünen Chemie. Für diese jungen Firmen bauen wir auf unserem Campus ein eigenes Gründungshaus. Wir glauben fest daran, dass aus diesen Aktivitäten eine neue Gründerzeit für nachhaltige Chemie entstehen kann. Das wäre ein großer Standortvorteil für Berlin.

Alt: Man muss aber auch sagen, dass die Effekte der Exzellenzerfolge für die Beziehung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft insgesamt geringer waren als ursprünglich erwartet. Wirtschaftsunternehmen betreiben Programmforschung, die Universitäten Grundlagenforschung. Das sind, auch wenn es öffentlich oft bestritten wird, sehr unterschiedliche Forschungssysteme, die nicht ohne weiteres zusammenpassen. Am besten schafft man es, diese Kulturen dort einander anzunähern, wo es um gemeinsame Projektförderung geht. Das sieht man beispielhaft beim Einstein Center Digital Future, wo Berliner Unternehmen Juniorprofessuren für Forschung zu digitalen Themen finanzieren.

Prof. Peter-André Alt ist Präsident der Freien Universität Berlin.

Prof. Peter-André Alt ist Präsident der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Welche Chancen sehen Sie durch die geplante gemeinsame Bewerbung von Freier Universität, Humboldt-Universität, Technischer Universität und der Charité – Universitätsmedizin Berlin im neuen Exzellenzstrategie-Wettbewerb für den Wirtschaftsstandort Berlin?

Alt: Wir werden es leichter haben, die Wirtschaft davon zu überzeugen, mit uns zu kooperieren, weil das Spektrum der von uns abgedeckten Disziplinen noch eindrucksvoller und vielfältiger als das einer einzigen Berliner Universität ist. Der Transferbereich, bei dem es um Anschlussstellen für angewandte Forschung geht, spielt daher in Zukunft eine wachsende Rolle für uns.

Kunst: Ja, im Verbund eröffnet sich die große Chance, ein gemeinsames Transfer-System für Themen der Spitzenforschung zu schaffen, das über die Grenzen Berlins hinausstrahlt. Das geht nicht ohne Anstrengungen auf beiden Seiten: Die Aufnahmefähigkeit der regionalen Wirtschaft für wissenschaftliche Ergebnisse muss größer werden, ebenso wie die Sensibilität der Universitäten für die Erkenntnisinteressen aus der Praxis.

Thomsen: Unsere Kooperation ermöglicht es uns, noch strategischer an Kernvorhaben heranzugehen – das birgt für uns und für unsere Partner einen großen Vorteil.

Was wünschen Sie sich für die künftige Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin?

Thomsen: Professor Alt hat schon das Einstein Center Digital Future erwähnt, das wir in sehr kurzer Zeit gemeinsam auf die Beine gestellt haben. In das auch international stark beachtete Projekt fließen rund 38,5 Millionen Euro. Das meiste Geld kommt aus der Wirtschaft. Damit haben wir aus der Wissenschaft heraus eine Initiative angestoßen, die nicht nur Berlin auf dem Gebiet der Digitalisierung große Vorteile verschaffen wird. Wir haben zur richtigen Zeit mit der Wirtschaft an einem Strang gezogen und schnell bürokratische Hürden überwunden. Das ist ein Musterbeispiel, das in Zukunft für andere gesellschaftsrelevante Themen übernommen werden sollte.

Kunst: Ich wünsche mir, forschungsbezogene Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen des Verbundes auf eine ganz neue Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck werden wir als Verbundpartnerinnen eine Art von Kooperationsplattform einrichten, die von Universitäten, außeruniversitären Einrichtungen und forschenden Unternehmen flexibel für gemeinsame Forschungsvorhaben genutzt werden kann. Eine solche Plattform hätte das Potenzial, Wissenschaft und Wirtschaft in der Region Berlin gleichermaßen voranzubringen. An das Land möchte ich den Wunsch richten, die Zusammenarbeit zwischen Großunternehmen, Startups und Forschung weiterhin nach Kräften zu fördern.

Alt: Ich wünsche mir mehr wechselseitige Neugierde und Offenheit, mehr Arbeitskontakte und Austausch, mehr Verständnis für Grundlagenforschung auf Seiten der Wirtschaft. Und: Aufbau, nicht Abbau von Arbeitsplätzen in technologierelevanten Unternehmen am Standort Berlin.

Weitere Informationen

IHK-Pudiumsdiskussion "Exzellente Wissenschaft für Berlin - Potenziale bündeln"
Ort: Konferenzzentrum des Ludwig Erhard Hauses, Fasanenstraße 85, 10623 Berlin
Zeit: 17:00 Uhr bis 19:30 Uhr

Schlagwörter

  • Exzellenzstrategie
  • Interview
  • Wissenstransfer