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Gemeinsam im Verbund

Mit einer Gesprächsreihe an allen beteiligten Einrichtungen stellten die drei großen Berliner Universitäten und die Charité ihre gemeinsame Initiative für die Exzellenzstrategie vor.

21.09.2017

Der Auftakt der Dialog-Reihe fand im Lichthof der Technischen Universität Berlin statt...

Der Auftakt der Dialog-Reihe fand im Lichthof der Technischen Universität Berlin statt...
Bildquelle: TU Berlin/PR/Michael Setzpfandt

„Je länger wir zusammenarbeiten, desto mehr frage ich mich: Warum haben wir das nicht schon früher gemacht?“ Mit seiner Überzeugung, dass man gemeinsam mehr erreichen könne, steht Professor Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin, nicht alleine. Professorin Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie die Präsidenten der Freien Universität Berlin und der Technischen Universität Berlin, Professor Peter-André Alt und Professor Christian Thomsen, sind sich einig: Die Entscheidung der vier Einrichtungen, gemeinsam in der Exzellenzstrategie – dem Nachfolgewettbewerb der Exzellenzinitiative – anzutreten, ist richtig. Warum die vier davon überzeugt sind, wo bereits über Fächer- und Institutionengrenzen hinweg erfolgreich geforscht wird, und was die Exzellenzstrategie den Universitäten bringt – darüber wurde im Sommersemester 2017 in „Campus-Dialogen“ diskutiert: An allen vier Einrichtungen informierten die Präsidenten der Freien Universität, der Humboldt-Universität, der Technischen Universität und der Vorstandsvorsitzende der Charité gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihrer Hochschule über die geplante Bewerbung im Verbund. Susanne Führer vom Radiosender Deutschlandfunk Kultur moderierte die Diskussionen, an deren Ende das Publikum – Beschäftigte, Wissenschaftler und Studierende – jeweils Fragen stellen und kritische Anmerkungen machen konnten.

Auf bestehende Strukturen bauen

... die Präsidenten und Präsidentin der Universitäten sowie der Vorstandsvorsitzende der Charité diskutierten, die Moderation hatte Susanne Führer vom Deutschlandfunk Kultur übernommmen.

... die Präsidenten und Präsidentin der Universitäten sowie der Vorstandsvorsitzende der Charité diskutierten, die Moderation hatte Susanne Führer vom Deutschlandfunk Kultur übernommmen.
Bildquelle: TU Berlin/PR/Michael Setzpfandt

Los ging es mit dem Campus-Dialog an der Technischen Universität Berlin. Bei dem angestrebten Exzellenzverbund könne man auf bereits bestehende Strukturen aufbauen, sagte Sabine Kunst: „Durch eine gemeinsame Infrastruktur lassen sich die Bedingungen für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verbessern.“ Christian Thomsen fasste es so zusammen: „Wir sind angetreten, um einen weltweiten Spitzenstandort zu formieren.“ Der Verbund solle dabei „kein Dach über Dächern“ sein, erläuterte Peter-André Alt. Ganz im Gegenteil: „Es geht darum, die Komplexität von Strukturen zu reduzieren.“ Warum man dann nicht gleich eine Berliner „Super-Uni“ gründe, von der immer mal wieder die Rede sei, fragte die Moderatorin. „Weil wir auf Diversität und unsere historisch gewachsenen Identitätsprofile setzen“, sagte Alt. „Unsere Ungleichgewichte und Unterschiede wollen wir bewahren – als unsere Stärke.“ Also: Kooperieren ja, miteinander verschmelzen, nein.

An der Organisation der einzelnen Einrichtungen werde sich durch einen Verbund nichts ändern, fügte der Präsident der Freien Universität hinzu. Jede Universität verfolge auch weiterhin ihr institutionelles Ziel, national und international besonders sichtbar zu sein. Der Zusammenarbeit könne das aber nur zuträglich sein: Die maßgeblichen Aktionsfelder, auf denen der Verbund tätig werden könnte, lägen im Bereich der Berufungsstrategie, der Nachwuchsförderung, der Forschungsinitiativen, der Ressourcen- und Infrastrukturnutzung, des Wissenstransfers und der Digitalisierung. Und von dem Geld, das bei einem erfolgreichen Verbundantrag flösse, profitierten auch Studierende, wie Peter-André Alt auf eine Frage aus dem Publikum bekräftigte: „Exzellenz bedeutet: mehr Geld für alle.“

Berlin: Wissenschaftsstandort mit großer Diversität

An der Freien Universität saßen Verena Blechinger-Talcott, Professorin für Japanologie, und Michael Meyer, Professor für Prähistorische Archäologie, mit auf dem Podium.

An der Freien Universität saßen Verena Blechinger-Talcott, Professorin für Japanologie, und Michael Meyer, Professor für Prähistorische Archäologie, mit auf dem Podium.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Was für Europa gelte, gelte auch für die Wissenschaft, antwortete Einhäupl auf die Frage der Moderatorin nach den Vorteilen einer Verbundbewerbung – gemeinsam sei man einfach stärker: „Forschung ist inzwischen viel mehr eine Frage von Regionen als von Institutionen.“ Berlin sei ein Wissenschaftsstandort mit großer Diversität, ergänzte Christian Thomsen. Diese Vielfalt lasse sich in einem gemeinsamen Antrag bestens abbilden: „Es wäre schwieriger zu begründen, warum wir nicht enger zusammenarbeiten sollten“, sagte Thomsen.

Auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Podien bezeichneten die gesammelte Expertise in den Universitäten als Grundlage für erfolgreiche institutionenübergreifende Anträge, wie sie seit Langem praktiziert würden. Die TU-Wissenschaftler Volker Mehrmann, Mathematikprofessor und Leiter des Forschungszentrums Matheon, Matthias Drieß, Chemieprofessor und Sprecher des Exzellenzclusters UniCat, sowie Martina Löw, Professorin für Architektur- und Planungssoziologie, berichteten bei dem Campus-Dialog im Lichthof der Technischen Universität Berlin von ihren Erfahrungen im Führen großer Forschungsverbünde und Konsortien. „Fortschritte und Innovationen entstehen an den Grenzen der Disziplinen. Man muss als Wissenschaftlerin und Wissenschaftler den Schritt über den Tellerrand machen, über Fach- und Institutsgrenzen hinweg“, sagte Volker Mehrmann.

Charité-Professorin Christine Sers sowie die beiden Professoren Ulrich Dirnagl und Benjamin Judkewitz schilderten ihre Erfahrungen in der Exzellenzinitiative.

Charité-Professorin Christine Sers sowie die beiden Professoren Ulrich Dirnagl und Benjamin Judkewitz schilderten ihre Erfahrungen in der Exzellenzinitiative.
Bildquelle: Wiebke Peitz

Einer, der ebenfalls aus Erfahrung weiß, dass Kooperationen über die Grenzen von einzelnen Universitäten hinweg für die Forschung grundsätzlich fruchtbar sind, ist Michael Meyer, der das Podium beim Campus-Dialog an der Freien Universität ergänzte. Er ist Professor für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität und einer der beiden Sprecher des Exzellenzclusters Topoi, einem 2007 eingerichteten gemeinsamen altertumswissenschaftlichen Forschungsverbund von Freier Universität und Humboldt-Universität, an dem außeruniversitäre Einrichtungen beteiligt sind: „Topoi kennt man inzwischen überall“, sagte Meyer, „das liegt daran, dass wir über Disziplinen- und Einrichtungsgrenzen hinweg zusammenarbeiten, und zwar mit allen, die für den Themenkomplex Antike relevant sind.“ Auch Verena Blechinger-Talcott, Professorin für Japanologie, und Günter Ziegler, Sprecher der Graduiertenschule Berlin Mathematical School (BMS) und Mathematikprofessor an der Freien Universität, steuerten Beispiele aus ihrer jeweiligen Kooperationspraxis bei.

Gemeinsam stark: Prof. Karl Max Einhäupl (Charité), Prof. Christian Thomsen (Technische Universität), Prof. Sabine Kunst (Humboldt-Universität) und Prof. Peter-André Alt (Freie Universität) (v.l.n.r.) mit Moderatorin Susanne Führer (2. v.r.).

Gemeinsam stark: Prof. Karl Max Einhäupl (Charité), Prof. Christian Thomsen (Technische Universität), Prof. Sabine Kunst (Humboldt-Universität) und Prof. Peter-André Alt (Freie Universität) (v.l.n.r.) mit Moderatorin Susanne Führer (2. v.r.).
Bildquelle: Ralph Bergel

Forschungsstrukturen ermöglichen

Derzeit werde eher über „die Ermöglichung von Forschungsstrukturen und weniger über Forschungsthemen“ gesprochen, sagte Peter-André Alt bei der Veranstaltung im Henry-Ford-Bau an der Freien Universität. „Wir wollen bestmögliche Bedingungen für Spitzenforschung in Berlin schaffen“, unterstrich der Vorstandsvorsitzende der Charité Karl Max Einhäupl.

Beim Dialog im Hauptgebäude der Humboldt-Universität Unter den Linden ergänzten das Podium Caren Tischendorf, Professorin für Angewandte Mathematik am Matheon, und Jörg Niewöhner, Professor für Stadtanthropologie und Mensch-Umwelt-Beziehungen vom Institut für Europäische Ethnologie und Mitglied im IRI THESys –Transformation of Human-Environment Systems. „Bei Forschung im Verbund geht es nicht darum, besser oder schneller zu sein als andere Fachkollegen. Das Ziel lautet, Probleme zu lösen“, sagte Caren Tischendorf. Gemeinsam, so die Mathematikerin, könne man mehr erreichen, auch in Bezug auf Investitionen: etwa bei der Anschaffung eines leistungsfähigen Großrechners, der von allen Einrichtungen genutzt werden könne. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von einer Zusammenarbeit überzeugt sind, waren auch beim Campus-Dialog in der sogenannten Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum der Charité vertreten: Molekularbiologin Christine Sers und Ulrich Dirnagl, Leiter der Abteilung Experimentelle Neurologie der Klinik für Neurologie und stellvertretender Sprecher des Exzellenzclusters NeuroCure, sowie Benjamin Judkewitz, Grundlagenforscher für Bioimaging und Neurophotonik am Exzellenzcluster NeuroCure, schilderten ihre Forschungserfahrungen über Institutsgrenzen hinweg. „Wir Wissenschaftler brauchen Zusammenarbeit, um immer über die Grenzen dessen hinauszuschauen, was wir selber denken können. Das bedeutet, dass wir verschiedene Disziplinen ansprechen, uns mit ihnen austauschen und von anderen Wissenschaftlern lernen müssen – um dann unsere eigenen Ideen weiterzuentwickeln“, sagte Christine Sers.

Aber was, wenn es nicht klappt, die Einrichtungen also im Verbund nicht erfolgreich sind? „Wir sind zuversichtlich“, erwiderte Günther Ziegler auf die Frage der Moderatorin Susanne Führer. „Wenn es nicht klappt, machen wir es trotzdem“, ergänzte sie, „nur kleiner.“ Die Notwendigkeit, sich zum Vorteil der Wissenschaft zusammenzutun, bleibe schließlich bestehen. Wie sie die Berliner Wissenschaft im Jahr 2025 sähen, wollte Moderatorin Susanne Führer zum Abschluss wissen. „Berlin wird eine international aufgestellte Wissenschaftsstadt sein, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und weltweit anzieht“, sagte Christian Thomsen.

Weitere Informationen

Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder

Die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder folgt als nationaler Wettbewerb der Exzellenzinitiative, in der die Berliner Akteure bereits sehr erfolgreich waren. Im neuen Wettbewerb gibt es zwei Förderlinien: die „Exzellenzcluster“, also große Wissenschaftsverbünde, und die „Exzellenzuniversitäten“ oder – diesmal neu – „universitäre Exzellenzverbünde“ mit überzeugenden strategischen Konzepten für eine nachhaltige Entwicklung der wissenschaftlichen Einrichtungen.

Das Land Berlin unterstützt die hiesige Verbundinitiative im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder. Für die Antragsvorbereitung sollen die Universitäten in den nächsten zwei Jahren 3,5 Millionen Euro erhalten.