Antworten auf die digitale Revolution
In Berlin wird das Deutsche Internet-Institut gegründet. Daran beteiligt sind sieben Institutionen, darunter die Berliner Universitäten.
15.06.2017
Am neugegründeten Deutschen Internet-Institut in Berlin soll erforscht werden, wie die digitale Vernetzung unsere Gesellschaft verändert. In all ihren Facetten.
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Internetdienste wie Google, Facebook oder Instagram sind kostenlos. Davon gehen die meisten Nutzer jedenfalls aus – schließlich muss man für deren Nutzung nichts bezahlen. Professor Axel Metzger, Rechtswissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin, sieht das allerdings ein bisschen anders. „Wer sich bei einem Internetdienst registriert, der ist damit in der Regel zahlender Kunde“, sagt Metzger. „Nur zahlt er eben nicht mit Geld, sondern mit seinen Daten.“
Persönliche Daten können ein Zahlungsmittel sein – so die These von Metzger. Folgt man dieser, so ergeben sich daraus schnell komplexe Fragen an unsere Wirtschafts- und Rechtsordnung. Wie viel sind Daten wert? Woher kommt ihr Wert überhaupt? Haben sie einen Wert „an sich“ – oder erhalten sie ihn erst mit ihrer Verarbeitung durch Internetfirmen? Und wie ist das Ganze rechtlich einzuordnen, etwa wenn ein Verbraucher mit den auf diese Weise bezahlten Leistungen eines Unternehmens nicht zufrieden ist? Kann er dann Schadensersatz für seine Daten bekommen? All diesen Fragen wird Axel Metzger künftig in einem Team aus Informatikern, Juristen und Sozialwissenschaftlern nachgehen – im neugegründeten Deutschen Internet-Institut.
Wie wirkt sich das Internet auf unser Leben aus?
Das Forschungszentrum, für das Berlin-Brandenburg kürzlich in einer deutschlandweiten Ausschreibung den Zuschlag erhielt, hat sich eine Mammut-Aufgabe gestellt. Erforscht werden soll dort, wie die digitale Vernetzung unsere Gesellschaft verändert. In all ihren Facetten. Es geht darum, wie wir im Internetzeitalter zusammenleben, arbeiten, wirtschaften, an demokratischen Prozessen partizipieren, internationale Politik machen und vieles mehr. Bahnbrechend ist dabei vor allem der interdisziplinäre Ansatz des Instituts. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der vier Berliner Universitäten – Freie Universität, Humboldt-Universität, Technische Universität Berlin und Universität der Künste –, der Universität Potsdam sowie des Fraunhofer Instituts für Offene Kommunikationssysteme und des Wissenschaftszentrums Berlin werden dort über Fächergrenzen hinweg zusammenarbeiten. Dafür stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis zu 50 Millionen Euro in den ersten fünf Jahren bereit.
Der Jurist Metzger ist einer von drei Gründungsdirektoren des neuen Instituts. „Wir werden dort einen ganzheitlichen Blick auf die Digitalisierung werfen“, sagt er. „Das wird eine völlig neue Art von Erkenntnissen produzieren.“ Auch sein Kollege Martin Emmer, Kommunikationswissenschaftler an der Freien Universität, ist von dem interdisziplinären Ansatz des Instituts überzeugt. „Die Forschungsfragen sind so komplex geworden“, sagt Emmer, „dass sie von einzelnen Expertinnen oder Experten gar nicht mehr zu beantworten sind.“
Der große Vorteil, den das Institut biete, sei die langfristige Bündelung verschiedenster Kompetenzen unter einem Dach. „Das ermöglicht es uns, wirklich an die Grundlagen zu gehen“, sagt Emmer. „Wie eine Demokratie in einer digitalen Gesellschaft funktionieren kann, ist keine Frage, die man mal eben mit einer kleinen Studie beantworten kann.“
Den Prozess der digitalen Transformation mitgestalten
Für die technische Expertise im Gründungsdirektorium sorgt Ina Schieferdecker. Die Informatikerin ist Professorin an der Technischen Universität Berlin und Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme. „Als Technikerin ist es meine Aufgabe, den Kollegen immer wieder zu sagen: Technik passiert nicht einfach – sie wird von Menschen gemacht. Wir gestalten sie selbst“, sagt Schieferdecker. Die Aufgabe des Internet-Instituts sei es daher nicht allein, die Folgen der digitalen Transformation zu verstehen und zu bewerten – sondern den Prozess aktiv mitzugestalten.
Neben der Forschung wird so der Dialog mit Politik- und Zivilgesellschaft einer der Stützpfeiler des Instituts sein. „Wir erleben immer wieder, dass in der Politik große Unsicherheit herrscht, wenn es um das Thema Digitalisierung geht“, sagt Kommunikationswissenschaftler Emmer. „In aktuellen Debatten über die Urheberrechtsreform oder auch den Umgang mit sogenannten Hass-Kommentaren auf Facebook kann man das sehr gut sehen.“ Hierbei soll das Institut die Politik unterstützen. Es gehe weniger darum, sich tagespolitisch einzumischen, sondern eine beratende Funktion einzunehmen, sagt Emmer: „Wir wollen eine transparente Grundlage für politische Entscheidungen liefern, durch fundiertes Wissen über komplexe Zusammenhänge.“
Die Digitalisierung könne das Leben komfortabler, nachhaltiger und sicherer machen, sagt Ina Schieferdecker. Diesen Vorzügen stünden aber auch Gefahren gegenüber. „Unsere Aufgabe ist nun, sicherzustellen, dass die Vorteile der Digitalisierung einhergehen mit einer Wahrung von Privatheit, Selbstbestimmung und ethischen Standards. Es geht darum, dass wir als Bürgerinnen und Bürger die Kontrolle behalten.“
Die drei Gründungsdirektoren arbeiten bereits in vollen Zügen am Aufbau des Forschungszentrums. Noch vor der Bundestagswahl im September soll das Institut offiziell eingeweiht werden. Die ersten Forschungsgruppen sollen dann im Winter ihre Arbeit aufnehmen. „Unser Ziel ist es, zentraler Ansprechpartner für alle Fragen der Digitalisierung zu werden“, sagt Schieferdecker. „Das ist eine ehrgeizige Agenda – und eine großartige Aufgabe.“