Springe direkt zu Inhalt

Forschen, entwickeln, ausprobieren

Mit dem „Berliner Startup Stipendium“ fördern Freie Universität, Technische Universität Berlin, Humboldt-Universität und Charité gemeinsam Geschäftsideen aus der Forschung.

13.06.2017

Ergebnisse präsentieren und Geschäftsideen vorantreiben: Christian Stöcklein stellte zusammen mit seinen Mitgründern das Projekt „GelTouch Technologies“ vor - programmierbare Oberflächen, die nach Bedarf Bedienungsknöpfe erzeugen können.

Ergebnisse präsentieren und Geschäftsideen vorantreiben: Christian Stöcklein stellte zusammen mit seinen Mitgründern das Projekt „GelTouch Technologies“ vor - programmierbare Oberflächen, die nach Bedarf Bedienungsknöpfe erzeugen können.
Bildquelle: JoAnn Stuhr Images

Wenn Herzfrequenz, Blutdruck oder Sauerstoffsättigung lückenlos überwacht werden müssen, sind Patientinnen und Patienten in der Regel voll verkabelt und somit an einen Platz im Krankenhaus gebunden, sozusagen buchstäblich ans Bett gefesselt. Dass es auch anders geht, weiß Oliver Opatz aus seiner Arbeit am Zentrum für Weltraummedizin und extreme Umwelten der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin ist Ideengeber für das Gründungsprojekt „Blue Swarm“: Der „blaue Schwarm“, so die Übersetzung, besteht aus Sensoren, die am Patienten angebracht werden und per Funk mit einer Basisstation verbunden sind. Die Messfühler sind klein, keimabweisend, wasserdicht und leicht zu reinigen. Patienten können sich damit frei bewegen und sogar duschen, während das medizinische Personal jederzeit am Tablet-PC über die Messwerte informiert wird.

Mehr Zeit für Prototypen

Um „Blue Swarm“ zu wettbewerbsfähigen Kosten alltagstauglich zu machen, fehlte den Entwicklern vor allem eines: genügend Zeit zum Forschen, Entwickeln und Ausprobieren. „Deshalb haben wir uns für das Berliner Startup Stipendium beworben – und uns über die Zusage gefreut“, sagt Ivo Soares Parchao. Dank der Finanzspritze kann sich der Bioinformatiker aus dem Team von Oliver Opatz nun mit seinem Kollegen Ben Hillmer sechs Monate lang ganz der Entwicklung eines Prototyps widmen und dafür Räume und Labore auf dem Campus der Charité in Berlin-Mitte nutzen.

„‚Blue Swarm‘ ist typisch für die Gründungsvorhaben, die wir mit dem Berliner Startup Stipendium fördern wollen“, sagt Marcus Luther, der als Innovationsmanager an der Charité Ausgründungen berät. „Die Idee hat Marktpotenzial und das Team beste Qualifikationen, das Potenzial auch umzusetzen. Aber für die üblichen Förderprogramme war das Projekt einfach noch nicht weit genug gediehen.“

Gemeinsam im Verbund

Für solche Fälle haben die Freie Universität Berlin, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, die Technische Universität Berlin und die Humboldt-Universität zu Berlin gemeinsam das Berliner Startup Stipendium geschaffen, das schnell und unbürokratisch vergeben werden kann. Finanziert wird das Programm aus Mitteln der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie des Europäischen Sozialfonds. Zwei bis vier Teammitglieder können mit jeweils 1.500 Euro monatlich über eine Laufzeit von sechs Monaten gefördert werden. Eine Verlängerung um weitere sechs Monate ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Verwaltung aus einer Hand für alle Stipendien

Seit Programmstart im November 2016 haben 63 Personen aus insgesamt 26 Teams die Förderung erhalten. Die gemeinsame Trägerschaft der Universitäten hat viele Vorteile: „Die Verwaltung wird gebündelt, damit nicht jede Hochschule Ressourcen dafür einsetzen muss“, sagt Florian Hoos, der das Centre für Entrepreneurship an der Technischen Universität Berlin leitet. „Die Teams sind zwar jeweils einer Hochschule zugeordnet, können aber bei Bedarf auch Angebote zur Gründungsunterstützung an den anderen Universitäten nutzen – etwa die Prototypenwerkstatt der Technischen Universität Berlin oder das besondere medizinische Know-how der Charité.“ Außerdem profitieren die Gründerinnen und Gründer von der Vernetzung untereinander. Bei Veranstaltungen zum Startup Stipendium treffen die Stipendiaten außerdem auf potenzielle Investoren, Unternehmer, Fachleute, Politiker und Journalisten. 

Bedienungsknöpfe nach Bedarf

Die Treffen, auf denen alle Stipendiaten ihre Arbeiten präsentieren, sind auch für Viktor Miruchna, Christian Stöcklein und Mitgründer Paul Krause eine gute Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen. Die Stipendiatenzeit der drei Ingenieure ist bald zu Ende, bei den Treffen wollen sie Ergebnisse zeigen. Im Rahmen seiner Masterarbeit an der Technischen Universität hatte Viktor Miruchna die Grundlagen für „GelTouch Technologies“ erforscht. Jetzt soll daraus ein Produkt entstehen: eine programmierbare Oberfläche, die nach Bedarf fühlbare Knöpfe erzeugen kann, beispielsweise eine Tastatur zum Tippen oder Bedienoberflächen im Bereich Industrie 4.0.

Die Geschäftsidee von Miriam Boyer und Marlene Bruce Vázquez del Mercado wiederum soll Menschen helfen, die Gluten – einen Eiweißbestandteil von Getreide – nicht vertragen. Mit dem von ihnen entwickelten Verfahren lässt sich das Allergen im Weizenmehl reduzieren. Zusammen mit der Marketing-Spezialistin Claudia Stosno wollen die Wissenschaftlerinnen der Freien Universität ein Start-up gründen und das Verfahren zur Herstellung glutenarmer Lebensmittel auch Produzenten zugänglich machen.

Evgeniy Chernyshev, Konstantin Emich und Anna Durova haben eine App für Mode- und Shopping-Fans entwickelt. An der Humboldt-Universität konstruierten sie ARVIS – ein „Advanced Recognition und Visualisation System“, also ein System zur Erkennung und Visualisierung von Kleidungsstücken. Mit der Fashion-App soll es dann möglich sein, mit dem Smartphone fotografierte Kleidung zu identifizieren: Die App schlägt dem Nutzer vor, wo er dieses oder ein ähnliches Kleidungsstück online finden und bestellen kann.

„Wo geforscht wird, entstehen viele gute Ideen für die Produkte von morgen“, sagt Steffen Terberl, der die Service-Einrichtung für Wissens- und Technologietransfer in der Abteilung Forschung der Freien Universität Berlin leitet. „Im Verbund der vier Partner haben wir mit dem Berliner Startup Stipendium ein Instrument geschaffen, um solche Ideen in der frühen Phase so zu fördern, dass sie auch wachsen und sich entwickeln können.“

Volker Hofmann, Geschäftsführer der Wissens- und Technologietransfergesellschaft der Humboldt-Universität sieht in den drei Berliner Universitäten und der Charité mit ihrer innovativen Forschung und ihren mehr als 100.000 Studierenden einen ausschlaggebenden Erfolgsfaktor für die Berliner Gründerszene: „Das Land Berlin hat dies erkannt und unterstützt uns als akademische Gründungsförderung vermehrt mit Programmen, um das bestehende und wachsende Gründungspotenzial an den Universitäten zu heben. Das Berliner Startup Stipendium ist dafür ein tolles Beispiel.“ Daraus könnten sich auch neue gemeinsame Formate entwickeln, so Hofmann: „Zusammen arbeiten wir weiter daran, innovative Forschung, akademische Start-ups und Unternehmen im Sinne einer lebendigen und nachhaltigen Gründungskultur enger zu vernetzen.“ 

Schlagwörter

  • Wissenstransfer